Fondateur M. L.
Sonnemann. Paris, 14↓5↓. October.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Mein lieber Freund,
Speidels Feuilleton habe ich ge
stern gele
sen, und es hat mich entzückt. Es i
st
schön
und einfach ge
schrieben, und vor Allem freut es mich, daß er Deinem
Character so gerecht wird, daß er
so wohl ver
steht,
wie der Werth Deiner Production
neb neben allem Talent auch im Morali
schen liegt, i
m↓n↓ dem Muthe, in dem starken Streben, ganz einfach das Wahre zu
sagen,
|unbekümmert um
die
das Treiben und Reden der Anderen. Er i
st doch ein großer
Kritiker, und z. B.
Herzl in
seiner ge
suchten und manierirten Art hätte das nie gefunden. Ob er Dich
über
schätzt? Gewiß, er hätte Einiges tadeln können. Ich ver
stehe voll
ständig, was Du
mein
st. Ich begreife, daß es Dich in Verlegenheit
setzt,
so rückhaltslos gelobt zu
werden. Vor Enttäu
schungen fürchte
ich mich zwar
nicht. Aber ich kann es nachfühlen, daß Du, als ehrlich
strebender Men
sch, Dich
fortwährend unfertig
|fühl
st und daß es Dir daher
peinlich i
st, wenn man Dich als einen
S Vollendeten hin
stellt. Ein
Herzl,
David oder
Nordau hätte
Speidels Feuilleton einfach als den ihm
gebührenden Tribut hingenommen. Du, in Deiner Be
scheidenheit und Grundehrlichkeit,
mußte
st davon in Verlegenheit gebracht werden. Das
stimmt Alles. Wenn aber Du
sagen
mußt,
Speidel habe
ich Dich über
schätzft,
so darf
ich sagen: Nein, er über
schätzt Dich
nicht.
Ve Verge Er
sagt von Dir gerade das, was Dir gebührt. Vergiß’ auch
|nicht, mein lieber Freund, daß
Speidel Dich in Deiner ganzen Art neu entdeckt – daß Deine ganze Per
sönlichkeit ihm
eine neue Er
scheinung i
st,
× während wir die
selbe läng
st kennen – und daß er
sich mit die
ser bedeutenden
Per
sönlichkeit (ent
schuldige die
starken Ausdrücke, aber
sie la
ssen
sich nicht
vermeiden)
ab im Ganzen abzufinden hat, nicht blos bei deren letztem Ausfluß, der »
Liebelei«, deren kleine Mängel
|er darum nicht
sieht, weil er das Ge
sammtbild in
seinen großen Linien vor Augen hat. Das
Feuilleton gilt auch mehr dem allgemeinen
Arthur Schnitzler, als dem be
sonderen
Drama.
Daß der materielle Erfolg
sich nun auch ein
stellt, habe ich gleichfalls
vorausge
sehen. Ganz
Wien ist wird hineinlaufen, um die
ses
ech echt
Wiener
Stück zu
sehen sehen.
|Ich bin
wahrhaft glücklich, daß es
so gut geht. Du ahn
st gar nicht, welch’ große
materielle Wirkung
Speidels Feuilleton für Dich haben wird
;↓.↓ In jeder Beziehung bi
st Du nun lancirt, – bi
st aus der Menge der im Dunkeln
Strebenden herausgehoben und
steh
st auf der Höhe mit den Wenigen.
Um Dich dort zu erhalten, wir
st Du weiter thätig
sein, wie bisher. Und zwar muß
sich
– das wird
|sich auch naturgemäß als
Entwickelungs-Re
sultat ergeben – Deine Kun
st erweitern und vertiefen. Sie muß,
statt
wie bisher nur eine Seite des Lebens, allmälig das
ganze Leben umfa
ssen
. Concret
les× ge
sprochen: Du darf
st höch
stens noch ein Süßes-
Mädel-↓Mädel-↓Stück
schreiben. Dann mußt Du hinaus ins große Ganze – immer weiter von Deines
Herzens be
sonderen Erlebni
ssen weg – mußt aus dem Vollen
|nehmen und ge
stalten. In »
Märchen« und »
Liebelei«
ha
st Du Deine eigene Jugend poeti
sch ausge
staltet; vielleicht wir
st Du das auch in
»
Freiwild« thun; das macht nichts. Dann aber
mußt Du zeigen, daß Du nicht nur Dein Leben,
sondern auch das Leben
And der Anderen zu ge
stalten weißt
.↓,↓ – das eigentliche, das große Leben. Wenn Du das kann
st, wir
st Du ein großer
Dichter
sein
;↓.↓ Und ich bin überzeugt –
auch nach all’ dem
Schönen, was die
se
|Tage gebracht haben, werden wir
auch das noch
er erleben. Alle Zeichen deuten darauf
hin.
Was Deine Umänderungs-Pläne betrifft,
so halte ich Dein Gefühl für durchaus richtig.
Gewiß, der alte
Weiring müßte mehr hervortreten, müßte dramati
scher werden. Die Art, wie Du
seine
dramati
sche
Be Belebung Dir denk
st, finde ich
|durchaus
bill billigenswerth. Wenn Du Lu
st und Stimmung dazu ha
st,
ver
suchs immerhin. Der zweite
Akt kann durch eine kräftige
Sce Scene die
ser Art nur gewinnen. Ander
seits möchte ich Dir aber zu bedenke
m↓n↓ geben, daß es immerhin gewagt i
st, ein fertiges
Werk,
das auch
bereits vor dem Publicum seine Probe bestanden hat, nachträglich zu ändern.
Werden die nachträglich
|einge
schobenen
Scenen nicht einen anderen Ton
an
schlagen und
so den Ge
sammt-Ton des
Stückes
stören? Liegt nicht überhaupt die Gefahr
fo vor, daß durch die nachträgliche Ein
schiebung die ganze
Ökonom Ökonomie des
Stückes
gesc ge
schädigt wird? Das
sind Fragen, die nur Du allein beantworten kann
st. Im
Allgemeinen bin ich, nach Erwägung aller Gründe und Gegengründe, eher
|für die Änderung als dagegen. Du hält
st
sie für
nöthig und ha
st Lu
st und Kraft dazu. Das i
st ent
scheidend.
Herzls Vor
schlag gibt mir nur einen
neuen Beweis von der Urtheilslo
sigkeit des
Mannes
.↓,↓ und ich ver
stehe nicht, wie Du
seinen Rath als »klug« bezeichnen kann
st. Er
will die Exi
stenzfrage hineinmi
schen. Aber, Du lieber Gott, das bringt ja ein
|ganz neues und ganz fremdes Element in das
Stück – das
sociale Element, das Du, bewußt oder unbewußt, mit
Feingefühl vermieden ha
st! . . . .
Davids »
Regentag« muß ein
schöner Dreck
sein! Entzückend i
st die »
Neue Fr. Pr.«, die die
sen Anlaß braucht,
|um darzuthun, was für ein bedeutender Mann
David i
st.
Über
Bahr schrieb ich Dir bereits. Nochmals: ich erwarte von
Richard oder
Loris auf das Be
stimmte
ste, daß
sie dem
Burschen jene Zurechtwei
sung zutheil werden la
ssen, die
infolge
seiner per
sönlichen Gemeinheiten unumgänglich nöthig geworden i
st, die Du ihm
nicht ertheilen darf
st, und
|die ich ihm leider,
nicht fern von
Wien, nicht ertheilen kann. Übrigens behalte ich mir doch noch ein
Ein
schreiten vor, falls die
Wiener
Freunde ver
sagen
sollten.
Granichstaedten? Einen Dien
stmann engagiren, um ihm ins Ge
sicht zu
spuck spucken. Es lohnt nicht der Mühe, das
selber zu thun. Aber im Sommer wart Ihr
Beide ja
sehr ver
söhnlich ge
stimmt gegen
den
Herrn! . . . . . .
|Stolz werden? Nein, nein, ich weiß weiß! So meinte ich es auch nie. Ich dachte an
etwas Anderes, das kommen wird, zwischen Dir und mir oder zwischen mir und Dir.↓,↓ – langsam, langsam, aber ich fürchte, es kommt. In dieser Beziehung siehst
Du, glaube ich, nicht, nicht so klar, wie sonst in allen Dingen.
Viele treue Grüße, mein lieber, lieber Freund! Wie bin ich froh, Dich soweit zu
haben!
Dein Paul Goldmnn