Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 9. 8. [1895]

|Toelz, 9. August.

Mein lieber Freund,

Ich bin erst Donnerstag von Paris abgefahren u. bin später nach Muenchen gekommen, als ich gedacht. Denn ich habe mich in Straßburg u. im Schwarzwald aufgehalten zusammen mit Henri Albert u. Charles Simon, einem neuen Bekannten, einem Menschen von |Werth u. Eigenart, von dem ich Dir mündlich erzählen werde.
In Muenchen fand ich Deine lieben Briefe vor, die mich innig erfreut haben. Ich wollte sie gleich beantworten, kam aber nicht dazu. Denn meine Zeit wurde ausgefüllt von Albert Langen, dem Verleger u. Lausbuben, mit dem ich ein schweres Ärgerniß hatte, und von einem Kindheits-|Freunde, den ich zufällig dort traf. Seit gestern bin ich in Toelz u. die erste freie Minute benütze ich, um Dir zu schreiben.
Vielen, vielen Dank für Deine lieben Briefe. Es war soviel Tröstliches u. Ermuthigendes darin! Das hat mich tief bewegt!  . . . . .
Mir ist es leid, daß ich auf unsere Zusammenkunft noch so lange warten |soll. Aber es geht ja leider nicht anders wegen dieser verdammten Kur (die auch nicht nützen wird, wie alle früheren). Hier muß ich mindestens 3 Wochen bleiben, kann also vor 30.  August nicht fort. So muß ich Dich denn bitten: entweder tritt Deine Bicycle-Tour fünf Tage später an |oder komme auf ein paar Tage hierher. Letzteres wäre freilich eine Zumuthung für Dich. Denn Toelz ist das stumpfsinnigste Nest, das ich kenne, u. bietet gar nichts. Auch landschaftlich ist es recht mäßig. Jedenfalls werde ich nicht mit Dir nach dem Norden reisen können. Zwischen 10. u. 15. September |muß ich wieder in Paris sein. Auch habe ich kein Geld. Die Kur kostet Unsummen.
Was den Brief der Candiani betrifft, so kann ich Dir von hier aus nicht rathen. Ich hielt schon seinerzeit Umfrage, fand aber Niemanden, der die Dame kannte. Das Gescheiteste wäre, Du schriebest ihr: Herr Goldmann, der Mitte September |nach Paris kommt, wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen. Ich würde dann hingehen u. versuchen, mir de vive ein Urtheil zu bilden. Die »Revue des jeunes filles«, von der sie schreibt, ist ein literarisch werthloses, wenn ich nicht irre neu begründetes Blatt für höhere Töchter. Anbei der Brief. |Daß Du den ersten Akt von »Freiwild« beendet hast, ist hoch erfreulich. Hoffentlich bringst Du was zum Vorlesen mit.
Die Tinte, mit der ich schreibe, gibt Dir einen Begriff von Toelzer Comfort. Es ist die beste im Ort.
Schreib’ mir, bitte, eine Zeile: Toelz, Baiern, Poste restante.
Viele treue Grüße! Dein
Paul Goldmann
Die herzlichsten Grüße an Richard!
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