Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 13. 8. [1895]

(Gazette de Francfort). Toelz, 13. August.
Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Bureau à Paris

Mein lieber Freund,

Das wäre schön, wenn Du ein wenig hieher kommen wolltest! Freilich, es wäre ein wahres Opfer. Denn der Ort bietet nichts. Die Berge sind nur von fern zu sehen, und selbst diese Fernsichten sind in den österreichischen Alpen schöner. Man ißt schlecht u. wohnt ohne Comfort. Das Bade-Publicum ist einfach unmöglich. Ich verkehre nur mit Bauern. |Endlich ich selbst treibe Selbstpein und brüte Schwermuth. Wenn Du freilich trotz alledem kommen wolltest, so wärs schön u. dankenswerth im höchsten Grade.
Nach Salzburg werde ich nicht kommen können, der Kur wegen.
Warum willst Du auf einmal so mit aller Gewalt nach dem Norden?
Ich gehe stundenweit über Land u. lese den »Faust«. Wie man in das |Buch hineingewachsen ist! Jetzt ist Alles so einfach und klar, und das Meiste hat man selbst erlebt. Aber gelungen ist ihm – dem Goethe – doch eigentlich nur das Menschliche u. das Teuflische (das ist das selbe; denn das Teuflische ist nur Ironie über das Menschliche). Aber wo er vom Himmel spricht, wird er conventionell oder rhetorisch. . . . . 
Ich hoffe, Du bist wohlbehalten von Wien |zurückgekehrt. Nun schreibst Du mir wohl bald wieder, besonders: ob u. wann Du kommst?
Viele treue Grüße Dir u. Richard
Dein
 Paul Goldmann
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