Fondateur M. L.
Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Mein lieber Freund,
Ich hätte Dir Deinen Brief gern umgehend beantwortet, hatte aber gerade ausnahmsweis
viel zu thun und komme nun erst heut zur Antwort.
Was Du mir da
schreib
st, aus einer Aufregung und Ver
stimmung heraus, die noch an
jedem Worte haften geblieben i
st, hat mich recht
sehr ge
schmerzt. Freilich nur in dem
Sinne, daß es mir unendlich leid thut, Dich inmitten all’ die
ser Widerwärtigkeiten zu wi
ssen.
|Um das
Endresultat machen
sie mich nicht im Minde
sten bekümmert. Ich
sehe die Dinge von fern an, wie aus den Wolken. Da
sehe ich denn ein Schiff, das
unaufhalt
sam dem Ziele zufährt. Die einzelnen Zickzacklinien des Kur
ses
sehe ich
nicht. Ich
sehe nur, daß es vorwärts geht, nicht zurück – daß es nicht zurückgehen
kann. Ein paar intriguante
Weibsbilder
sollen Dein
Werk an aufhalten, das mit der Kraft Deines Talentes dem Ziele zu
strebt? Der Gedanke
macht mich heiter,
so un
sinnig i
st er.
|Und ich
verliere meine Heiterkeit nur, wenn ich Deinen Brief wieder vornehme und Deine
Ver
stimmung herausle
se, die ich Dir gern er
spart wüßte. Aber
schön! Du kämpf
st. Wer
kämpft nicht? Und vergleiche Dein glückliches Loos, für ein hohes Ziel kämpfen zu
dürfen, mit dem Anderer, mit dem meinen zum Bei
spiel, der ich mit Widerwärtigkeiten
und tau
send Verhängi
ssen ringen muß, nicht um hinaufzugelangen, wie Du,
sondern um
nicht tiefer zu fallen, als ich
schon
stehe.
|Hab’ Geduld, mein lieber Freund! Sei ruhig und laß’
die Dinge gehen, wie
sie gehen. Das Ent
scheidende i
st bereits ge
schehen: Du ha
st ein
schönes
Stück
ge
schrieben
. Alles Übrige i
st voll
ständig gleichgiltig.
Laß’ Laß’ Dich al
so nicht erregen. Blick’ weit hinaus in die Zukunft, laß’ Dich vom
Tage nicht unterkriegen und vertrau’ auf Dich, wie ich auf Dich vertraue.
Das i
st freilich Alles recht vag und allgemein. Ich wün
schte, ich wüßte
Nah Näheres oder könnte gar bei Dir
sein, um
|die Dinge im Einzelnen mit durchzuleben. Du
soll
st
aber jedenfalls nicht glauben, daß Du mir
schreiben mußt. Ich ver
stehe es, daß Du
wenig Stimmung zu Briefen finde
st, und warte
schon meine Zeit ab. Nur möchte ich
wi
ssen, wann ungefähr die
Aufführung sein wird; und wenn
sie dann i
st, möchte ich mir am näch
sten Morgen eine Depe
sche über das Re
sultat
erbitten.
I
st
Bahr nicht mit
|unter denen, gegen die Du zu
kämpfen ha
st? Die
Kritik über »
Sterben« in der »
Zeit« war eben
so dumm als be
schmockt.
Ich
sandte Dir die
ser Tage ein paar
franzö
si
sche Zeitungsartikel. Du finde
st darunter vielleicht Manches, das Dich zer
streut.
Kann ich Dir
son
st was aus
Paris schicken? Das Ge
scheite
ste wäre, Du ließe
st den ganzen Kram in
Wien im Stich und käme
st auf vierzehn Tage hierher. Das würde
Dir gut thun!
|Im Sommer werden wir uns kaum
sehen können. Ich werde krank und kränker, und mein
Schwager be
steht darauf, daß ich während meines Urlaubs eine Kur gebrauche,
vielleicht in
Toelz, im
bairi
schen
Hochgebirge.
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund, und sei guten Muths!
Dein
treuer
Paul Goldmann