lieber Hugo, Ihr Brief aus der
Fusch hat mich
sehr erfreut und ich bin begierig was Sie nun eigentlich
alles außer dem
geretteten Venedig von die
sem
So
mmer nach Hau
se bringen werden. In der Wärme die uns
umfließt, in der Be
so
nntheit der ganzen Atmosphäre mu
ss
doch etwas
selt
sam befruchtendes liegen, denn auch mir geht es
so gut wie lange
nicht. Es hat begonnen an einem der er
sten Tage, da ich von meinem Unwohl
sein wieder aufge
standen war – wo ich
↓Nachmittags↓ eine ganze
Novellette
nieder
schrieb, die mir (der Einfall be
stand
schon
seit
|lange) Vormittags auf einem Spaziergang aufgegangen war. Dann
arbeitete ich an dem
Roman
weiter, de
ssen Fülle ich nur mehr möchte beherr
schen können. Vom
12.–
24 (ungefähr) waren wir in
Reichenau, wo ich auch in guter Sti
mmung weiter
schrieb. Ausflüge
Naßwald,
Rax. Rad beinah gar nicht – die vielen mühelo
sen
Dahinra
ser im Automobil verderben einem die naive Freude. Aber es wird
schon
wiederko
mmen, in fremdem Gegenden.
Nun
sind wir
seit etwa 12 Tagen wieder in
Wien und
in un
serer
|angenehmen Wohnung gefällt es uns
sehr gut
und wir finden uns alle Vater,
Mutter und
Kind
behaglich. Seit der
Julius auf Ferien i
st
steht uns
sein Fiaker zur Verfügung
ist, und
so fahr
ich mit
Olga jeden Abend aufs Land, immer aufs
neue u immer mehr entzückt von die
sen
Wiener
Wald Land
schaften – die mich beinah immer
so ergreifen als käme ich nach
langen Jahren von irgendwoher in die
se heimatliche Wunder
samkeit zurück. Ge
stern
Abend fuhren wir an dem verwai
sten
Ro|daun ganz nah vorüber, von
Mauer über
Kalksburg (eine
Wald
straße,
Klausenstraße glaub ich, die ich
noch gar nicht kannte) nach dem
rothen Stadel,
und haben Ihrer und
Richards herzlich gedacht.
(Es war
sozu
sagen eine unge
schriebene An
sichtskarte, die
sich ab
spielte) –
Vor ein paar Tagen, in
Mauerbach, entwickelte
sich plötzlich
aus einer kleinen Notiz, die ich in mein Büchel eingetragen hatte, im Ge
spräch mit
Olga, ein völliges
Lustspielsujet, am näch
sten Tag ent
|warf ich das
Scenarium, am
übernäch
sten
standen die Ge
stalten
schon
so klar vor mir, da
ss ich mich berechtigt
fühlte, die er
ste
schlamperte Nieder
schrift zu beginnen, die mich wohl nicht lange in
An
spruch nehmen wird. Es ka
nn, we
nn die Laune bleibt, ein graziö
ses Ding werden. Ein
andres Stück, eine
5aktige
Komödie, von der in
Taormina 3 Akte ganz
flüchtig und zum Theil blöd
sinnig hinge
schmi
ssen wurden, die
sich aber hier,
wenig
stens im Plan, zu etwas
sehr möglichem entwickelte,
|bleibt nun bis auf weiteres liegen. Von dem phanta
sti
sch hi
stori
schen
Stück und manchem andern, das
in zweiter Reihe und dritter
steht, will ich vorläufig nicht reden; ich möchte nur
das
strategi
sche Talent haben, die Truppen, die ich vorläufig nicht brauche, mit der
nöthigen Autorität in die Re
serve oder wenig
stens hinter die Schlachtlinie zu
verwei
sen (Hören Sie den ehemaligen k. u. k. Oberarzt aus die
sen Worten trompeten?)
Außerdem
|möcht ich allerdings noch manches andre: vor
allem mehr Flei
ss. . .
wurde ge
stern unterbrochen und will heute nur noch viele
schöne Grüße hinzu
setzen.
Heute (es i
st Nachmittg) waren wir
schon am Vormittag auf
der
Sophienalpe, und das i
st die Gegend, wo ich
von den Ge
stalten des
Romans
am härte
sten bedrängt werde. –
Wir bleiben nun denk ich bis
Anfang September hier in
Wien, und dann möchten wir, auf etwa 14 Tage nicht allzu weit,
Ischl etwa. Es
|wäre nicht undenkbar, da
ss die
Fanny Mütter
mitkommt; aber ich halt es für unwahr
scheinlich. Kämen Sie da
nn event. auch mit
Gerty,
so könnten wir zwei ein paar un
srer
schönen Radtouren vollführen? – Jedenfalls
treffen wir uns im
Herbst, nicht wahr? –
Grüßen Sie was Sie in
Aussee von erfreulichen
Men
schen
sehen und antworten mir ra
scher als ich Ihnen diesmal geantwortet habe.
HerzlichstIhr
A.