Arthur Schnitzler an Georg Brandes, 18. 7. 1897

|Ischl, 18. 7. 97.

Verehrtester Herr Brandes,

Ich danke Ihnen herzlich, dss Sie mir sschnell eine Nachricht haben zugehen lassen. Vor allem entnehme ich ihr, dass jede Gefahr vorüber ist, und das ist ja das wesentliche. Auch scheint es, dss Sie schon wieder arbeiten dürfen – und sogar sich aergern – wenn das mit aerztlicher |Erlaubnis geschieht? Aber mir scheint wirklich, Sie sind mit den deutschen Übersetzungen ein bischen gar zu streng – die Leute, die nicht das Glück haben, Übersetzungen Ihrer Bücher mit dem Urtext vergleichen zu können, finden auch in diesen Übersetzungen irgend was und sogar sehr viel, das ihnen trotz Misverständnissen u Flüchtigkeiten (die ja uns großentheils entgehen) der ganze Georg Brandes zu sein scheint. |Freilich ahnt man oft, dass hier ein Zauber verloren gegangen ist, der unwiederbringlich ist; – aber glauben Sie mir, es bleibt noch immer so viel Zauber übrig, dass die meisten gar nicht dazu kommen, den fehlenden zu vermissen. Ich gehöre ja leider auch zu denen, die nicht dänisch verstehn – und Sie haben mir noch jedesmal, durch die schwächsten Übertragungen hindurch, wahrhaftig |viel gegeben!
Ich wusste nicht, dss Paul Goldmann Ihnen schon lange Zeit nicht geschrieben hat. Aber Sie können kaum ahnen, was dieser Mann zu thun hat. Ich bin im Frühjahr in Paris gewesen, und habe manche Tage mit ihm verbracht; er kommt überhaupt kaum je eine Viertelstunde zur Ruhe. Allerdings hat er etwas zu viel Gewissen und opfert meiner An|sicht nach der Frankf. Zeitg mehr von dem besten seines Lebens auf, als sie ihm je danken wird. Da der Gruss an meine Freunde wohl ihm und Dr. Beer-Hofmann gilt, hab ich ihn beiden mitgetheilt. Dr B. H. ist hier und dankt Ihnen vielmals; er verbindet seine besten Wünsche für Ihre baldige vollkommene Genesung mit den meinen.
|Eine Frage an Sie hatte ich mir schon neulich vorgenommen: Haben Sie die Skizzen von Altenberg gelesen? (Es ist ein Buch: »Wie ich es sehe,« der Autor hat es Ihnen wohl geschickt.)
Ich schreibe jetzt, nach einigen kleinern Erzählungen, wieder ein Stück und habe mehr Freude daran als von meinem letzten. Ob es besser wird, weiss ich freilich |noch nicht. Aber das Freudhaben ist ja doch das wichtigere. –
In wenigen Tagen fahre ich wieder nach Wien zurück; vielleicht erfreuen Sie mich bald wieder durch ein Wort; und wär es auch nur das eine »Gesundheit.«
Ich grüße Sie, hochverehrter Herr Brandes, in herzlichster Ergebenheit.
ArthurSchnitzler
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