Verehrtester Herr Brandes,
Ich danke Ihnen herzlich, d
ss Sie mir
so
schnell eine Nachricht haben zugehen la
ssen.
Vor allem entnehme ich ihr, da
ss jede Gefahr vorüber i
st, und das i
st ja das
we
sentliche. Auch
scheint es, d
ss Sie
schon wieder arbeiten dürfen – und
sogar
sich
aergern – we
nn das mit aerztlicher
|Erlaubnis ge
schieht? Aber mir
scheint wirklich,
Sie
sind mit den deut
schen Über
setzungen ein bischen gar zu
streng – die Leute, die
nicht das Glück haben, Über
setzungen Ihrer Bücher mit dem Urtext vergleichen zu
können, finden auch in die
sen Über
setzungen irgend was und
sogar
sehr viel, das
↓ihnen↓ trotz Misver
ständni
ssen u Flüchtigkeiten (die ja uns
↓großentheils↓ entgehen) der ganze Georg Brandes zu
sein
scheint.
|Freilich ahnt man oft, da
ss hier ein
Zauber verloren gegangen i
st, der unwiederbringlich i
st; – aber glauben Sie mir, es
bleibt noch i
mmer
so viel Zauber übrig, da
ss die mei
sten
gar nicht dazu ko
mmen, den fehlenden zu vermi
ssen. Ich
gehöre ja leider auch zu denen, die nicht
dänisch ver
stehn – und Sie haben mir noch jedesmal, durch die
schwäch
sten
Übertragungen hindurch, wahrhaftig
|viel
gegeben!
Ich wu
sste nicht, d
ss
Paul Goldmann Ihnen
schon lange Zeit nicht ge
schrieben hat. Aber Sie können kaum ahnen, was die
ser Mann
zu thun hat. Ich bin im Frühjahr in
Paris
gewe
sen, und habe manche Tage mit ihm verbracht; er ko
mmt
überhaupt kaum je eine Viertel
stunde zur Ruhe. Allerdings hat er etwas zu viel
Gewi
ssen und opfert meiner An
|sicht nach der
Frankf. Zeitg mehr von dem be
sten
seines Lebens
auf, als
sie ihm je danken wird. Da der Gru
ss an meine Freunde wohl ihm und Dr.
Beer-Hofmann gilt, hab ich ihn beiden mitgetheilt. Dr
B. H. i
st hier und dankt Ihnen vielmals; er verbindet
seine be
sten Wün
sche für Ihre
baldige vollko
mmene Gene
sung mit den meinen.
|Eine Frage an Sie hatte ich mir
schon neulich
vorgenommen: Haben Sie die Skizzen von
Altenberg gele
sen? (Es i
st ein Buch: »
Wie ich es sehe,« der Autor hat es Ihnen wohl ge
schickt.)
Ich schreibe jetzt, nach einigen kleinern Erzählungen, wieder ein Stück und habe mehr
Freude daran als von meinem letzten. Ob es besser wird, f weiss ich freilich |noch nicht. Aber
das Freudhaben ist ja doch das wichtigere. –
In wenigen Tagen fahre ich wieder nach
Wien
zurück; vielleicht erfreuen Sie mich bald wieder durch ein Wort; und wär es auch nur
das eine »Ge
sundheit.«
Ich grüße Sie, hochverehrter Herr Brandes, in herzlichster Ergebenheit.
ArthurSchnitzler