Stefan Zweig an Arthur Schnitzler, 10. 11. 1926

|SZ Salzburg 10. Nov 26
Lieber verehrter Herr Doktor, gewisse Beziehungen vermag die Zeit nicht zu ändern – ich bin jetzt, Gottseisgeklagt, 45 Jahre alt, aber dennoch, wenn Sie zu mir sprechen, bin ich noch immer der schüchterne flaumbärtige Bursch, der rückwärts ins Parterre gedrückt zu dem berühmten Dichter auf der Bühne emporsah. Ein zustimmendes Wort von Ihnen macht mich noch genau so beglückt und all die Freundschaft, die stotz gefühlte |Sicherheit Ihrer Neigung kann nichts ändern an diesem dankbaren Aufblick. Und eigentlich möchte ich’s nicht anders. Fast alle, zu denen ich einst aufgeblickt, haben mich enttäuscht durch ihr Werk oder durch ihre menschliche Haltung – darum bin ich so froh, dass sich gerade an Ihnen meine Stellung, meine wirklich aufschauende, niemals änderte und niemals ändern wird. Ich liebe Sie sehr und bin froh, dass Sie es wissen: vielleicht kann ich das alles einmal besser ausdrücken als gerade Blick in Blick.
Dankbarst, treulichst Ihr
 Stefan Zweig
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