Lieber verehrter Herr Doktor, gewisse Beziehungen vermag die Zeit
nicht zu ändern – ich bin jetzt, Gottseisgeklagt, 45 Jahre alt, aber dennoch, wenn
Sie zu mir sprechen, bin ich noch immer der schüchterne flaumbärtige Bursch, der
rückwärts ins Parterre gedrückt auf zu dem berühmten
Dichter auf der Bühne ↓empor↓sah. Ein zustimmendes Wort von
Ihnen macht mich noch genau so beglückt und all die Freundschaft, die stotz gefühlte
|Sicherheit Ihrer Neigung kann nichts
ändern an diesem dankbaren Aufblick. Und eigentlich möchte ich’s nicht anders. Fast
alle, zu denen ich einst aufgeblickt, haben mich enttäuscht durch ihr Werk oder durch
ihre menschliche Haltung – darum bin ich so froh, dass sich gerade an Ihnen meine
Stellung, meine wirklich aufschauende, niemals änderte und niemals ändern wird. Ich
liebe Sie sehr und bin froh, dass Sie es wissen: vielleicht kann ich das alles einmal
besser ausdrücken als gerade Blick in Blick.
Dankbarst, treulichst Ihr
Stefan Zweig