Sehr verehrter lieber Herr Doktor,
ich war innerlich noch sehr bedrückt, Ihnen für den schönen Abend von damals nicht noch besonders gedankt zu haben:
der Grund für dieses Unterlassen war, dass ich mich innerlich um den Titel für das
Werk mühte und ohne diese
bescheidene Gegengabe Ihnen nicht schreiben wollte. Und nun muss ich Ihnen für
neuerliche Güte danken: glauben Sie mir, bitte, dass ich gerade in dieser Zeit, wo
sonst alle Menschen das Harte in sich herauskehren, Ihnen dafür besonders erkenntlich
|bin.
In der Sache D
r Rosenbaums habe ich
von
Gerhardt Hauptmann noch keine Antwort: ist es die
Post, die den Brief so lange hält oder irgend Etwas in ihm? Jedesfalls bin ich sehr
erbittert, wie gut
Thimig alles gelungen ist.
In aller Stille hat man diesen guten
Mann begraben und in einem Jahr wird niemand mehr von ihm
wissen. Ich hoffe noch immer, etwas tun zu können: es wäre ja sehr nötig und nicht
nur im moralischen Sinne, denn D
r R, der jetzt ein Vierteljahrhundert in
unablässiger Arbeit gelebt hat, braucht Wirksamkeit, um nicht bitter zu werden.
Hoffentlich findet sich da ein Weg.
Ich freue mich sehr, Sie
|und Ihre
verehrte Frau
Gemahlin bald
wieder sehen zu dürfen: heute abends habe ich mir den Sonatenabend
Walter Rosé,
morgen das
Lied von der Erde,
Mittwoch Elektra zugedacht, ich lebe jetzt wirklich von
Musik, denn sonst wäre es nicht zu ertragen.
In dankbarer Verehrung getreu Ihr
Stefan Zweig
Viele Grüsse Ihrer Frau
Gemahlin!
Und noch die Erinnerung: wenn Sie einmal Zeit und Lust haben gedenken Sie jenes
Bildhauers
Gustinus Ambrosi, der so gerne
Ihre Büste machte. Ich halte diesen taubstummen Menschen für einen wahrhaft
genialen Künstler, er ist auch menschlich, ein unvergleichliches Erlebnis.