Sehr verehrter lieber Herr Doktor, ich wäre sehr froh, wenn Sie
nächstens einmal mir wieder eine Stunde mit Ihnen
verstatten wollten: ich hätte gerne mit Ihnen über die Angelegenheit Unseres gemeinsamen Freundes
Rosenbaum gesprochen.
Immerhin sind Wir – wenn auch machtlos gegen solche Entschliessungen — der
wesentlichste Teil der Interessierten und es ist die Frage, ob wir Uns ganz
unbeteiligt zu einer solchen brutalen Entscheidung stellen sollten. Bis zu einem
gewissen Grade glaube ich die »
Reichspost« in
dieser Sache zu spüren – inwieweit D
r R. im seiner Offenheit des Wortes Etwas
verschuldet hat, vermag ich nicht zu entscheiden – und vielleicht wäre eine Form der
moralischen Satisfaction für diesen vortrefflichen
|Menschen zu finden, der nach siebzehn
Jahren Tätigkeit cum infamia
weggejagt werden soll. Ich weiss nicht, wie Sie in dieser Sache denken, doch ich
zweifle nicht, dass sie auch Sie seelisch beschäftigt hat: mir scheint sie nicht
bloss ein Einzelfall, sondern das Symptom einer Gesinnung, die sich jetzt schon
mitten im Kriege entfaltet um dann nachher agitatorisch und aggressiv zu werden und
der man vielleicht heute schon in Parade entgegentreten sollte.
D
r R. weiss selbstverständlich nichts von diesem
Brief. Er tut mir sehr leid: das
Burgtheater war
schon so sehr der Sinn seiner Existenz und seines Fühlens geworden, dass er sich kaum
jemals wird wieder ganz finden können.