Sehr verehrter Herr Doktor,
ich hatte mir schon Sorge gemacht, Sie würden es vielleicht übel vermerkt haben, dass
ich gestern mit nur raschem Gruss an Ihnen vorbeigieng
– ich fürchtete, Sie zu stören – da bringt mir heute Ihr
Buch ein liebes Geschenk und ein nur noch Wertvolleres: das
Zeichen freundlicher
Gesinnung. Ich bin so
sehr froh, das
Buch von Ihnen zu besitzen: es
wird mir nun vielleicht noch mehr sein, als es mir durch seine innere Gewalt ohnehin
schon bedeutet. Uns,
|den Jüngern, durch
Blut und Heimat liebe Verwandten, ist es ja wohl zugeschrieben, uns wird es
vielleicht mehr gehören, als jeder anderen Generation, jeder andern Stadt, jedem
andern Kreis: mögen die andern das Äussere lieben, den Blick, den Griff, die Melodie,
so stehen wir doch seinem Herzen am nächsten, denn – unbewusst vielleicht – für uns
ist es geschrieben, ist es als Wegzeiger hin gestellt. So empfangen Sie mit meinem
Dank den vieler anderer, den
↓en↓ die Freude nicht gegeben
war, es direct aus Ihren Händen nehmen zu dürfen, einen Dank, nicht für Einzelnes,
nicht für das Geschaffene allein sondern für das Ganze, für den grossen schönen
Willen und für alle die viele Liebe, die Sie diesen Menschen – für uns – mitgegeben
haben.
|Schade, dass
Auernheimer durch die ängstliche Tendenz der
Neuen Freien
Presse genötigt war, dem eigentlichen Problem auszubiegen.
Alles Gerade die Idee der Amalgamierung des Jüdischen
und
Wienerischen darin scheint mir das Neue,
Bedeutsame und noch nie Gewagte und sie würde – und wird vielleicht – in einer
Studie über den Roman mich am meisten beschäftigen.
Nochmals: vielen Dank für Ihre Güte. Und seien Sie meiner lebhaften Verehrung
aufs innigste versichert. Ihr sehr ergebener
Stefan Zweig