Lieber, ich habe Ihre letzte Karte nicht gut lesen können, glaube
aber dass Sie noch in
Waldbrunn sind. Uns ist es nicht besonders gegangen.
Otti mußte operirt werden, was zu Hause geschah. Sie hat sich bis heute noch nicht völlig erholt. Der
Arzt will, dass sie jetzt noch eine Kur
brauchen soll. So gehen wir nächster Tage auf 4 Wochen nach
Marienbad. Ich komme eben von dort, wo ich Wohnung genommen
habe. Vorher war ich ein paar Tage in
Karlsbad.
Unsere Adreße ist dann (wahrscheinlich vom 8
ten an) »
Quisisana«. Ein sehr hübsches Haus,
oben im Wald bei der
Waldmühle.
Paul ist dieser Tage auch wieder krank gewesen, hoffentlich
wird er sich in
Marienbad vollständig erholen.
Wann kommen Sie nach
Wien zurück? Spielen Sie
dort
Tennis? Haben Sie gearbeitet? Haben Sie für den September Reisepläne? Ich
möchte im September irgend eine Meerfahrt machen.
Athen oder so was ähnliches.
Bahr hat mir vom
Lido
einen entrüsteten Brief geschrieben, weil mich der
Pötzl im
Tagblatt gelobt hat. Und der
Pötzl hat mich
gelobt, weil ich im »
Morgen«
Wien gelobt habe. Es ist eine düstere
Sache, wie Sie sehen. Aber was soll ich thun? Ich zittere, dass mich am Ende
nächstens auch noch der
Seligmann lobt, oder
der
Hugo Ganz und dann wird mich
Bahr sicherlich total verachten, und komme ich
einmal in die
Oper, wird die
M.
zu singen aufhören, weil ich da bin. Mir fehlt zu meinem gänzlichen Untergang nur
noch, dass
Robert Hirschfeld ein Feuilleton
über mich schreibt, und dein
Gustav S-kopf in
einem Aufruf die
Wiener einlädt, meine Bücher
fleißiger zu kaufen. Dann bin ich ganz kaput
– und kann mich von
D
r Spitzer ehrlicher Weise nicht einmal mehr
fotografiren laßen. Ich habe trübe Ahnungen und bin auf das Schlimmste gefaßt. Aber,
wenn’s mir bestimmt ist, kann ich garnichts machen. – Hoffentlich geht es Ihnen allen
gut.
Leben Sie wol und schreiben Sie bald wieder eine Zeile. Herzliche Grüße von uns zu
Ihnen.