Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 16. 8. 1930

16. 8. 30.

Mein lieber Freund,

Ich danke Dir für Deine Karte aus Le Prese, u. ich habe mich sehr gefreut, daß Du meiner gedacht hast.
Jugend – es geht mir gerade fortwährend im Kopfe herum. In wenigen Jahren, wenn ich es erlebe, was nicht sehr sicher ist, bin ich siebzig. Ich kann es gar nicht verstehen. Denn das Ich, die eigentliche, die innere Persönlichkeit, ist dieselbe geblieben, wie stets, ist nicht gealtert, |ist nicht über die Mitte der Sechzig hinaus u. wird nicht siebzig sein. Der weißhaarige alte Herr, den mir die Spiegelscheiben der Schaufenster zeigen, dem die Mädchen auf der Trambahn ihren Platz anbieten, – das soll ich sein? Aber es ist doch nicht möglich! Das Eigentliche ist doch noch nicht gekommen, das, was getan werden sollte, ist noch nicht getan! Das Leben, das ich nicht gelebt habe, das ich so gern leben möchte, soll vorüber sein? Ich kanns nicht begreifen. . . . . 
|Nur ein Gutes ist: wenn das Nichtmehrwissen kommt, wird man auch nichts mehr von all’ dem Verfehlten u. Versäumten wissen, wird man auch nicht mehr zu bereuen brauchen. . . . . 
Herzliche Grüße an Dich (auch von Frau u. Tochter)! Und Empfehlungen an Deinen Sohn!
Dein
 Paul Goldmann.
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