Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 27. 6. [1903]

Berlin, 27. Juni

Mein lieber Freund,

Ich habe mit den Wahlen schrecklich viel zu thun und kann daher erst heut Dir und Olga für Eure lieben Grüße von unterwegs vielmals danken. Also im Herbst werdet Ihr Eure kleine Wohnung beziehen? Sie muß sehr traulich und sehr reizend sein, nach Deiner Schilderung, und ich hoffe sehr, daß Ihr darin glückliche Tage und Jahre verleben werdet.
Die »Komödie« wird hoffentlich noch feste Gestalt annehmen. |Wenn Dich gar nichts Anderes reizt, so denke an das »Geschäft«, das mit einem lustigen Stück heut zu machen wäre. Alle Theater würden danach greifen.
Der Goldmann von der »Tragödie des Triumphes« bin nicht ich. Wie man Deinen »Reigen« aufführen will, – namentlich die Gedankenstriche – darauf bin ich sehr neugierig. Das Buch wird auch hier allgemein gelesen und erregt großes Entzücken.
Sommerpläne habe ich noch nicht. Ich sehe mit Schrecken meinen Urlaub herankommen. Mir |graust davor, einen Entschluß zu fassen – Wohin soll ich gehen? Die Welt ist leer, und Niemand wartet auf mich.
Vielleicht komme ich Anfang August nach Wien und fahre mit Dir nach Südtirol.
Die Fuldasche Ehescheidung geht ihren Gang. Sie hat ihren Mann so lange gequält, bis er es nicht mehr aushielt und auf Scheidung klagte. Es ist eine große Dummheit von ihr, daß sie es so weit kommen ließ; |denn sie wird den Sturz von der socialen Höhe, auf der sie bisher stand, doch nicht vertragen.
Lies: »Briefe, die ihn nicht erreichten«. Verfasserin ist die Baronin Heyking, die Frau des ehemaligen deutschen Gesandten in China.
Grüße Olga vielmals und sei auch Du herzlichst gegrüßt von Deinem
Paul Goldm
    Bildrechte © Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar