Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 2[2?]. 5. [1903]

Berlin, 22. Mai.

Mein lieber Freund,

Dein lieber Brief hat mich sehr erfreut. Ich war über das Ausbleiben Deiner Nachrichten bereits in Sorge. Auch Olgas Brief war sehr charmant; und ich bitte Dich (bis ich Zeit finde, ihn zu beantworten), ihr einstweilen in meinem Namen zu danken.
Heut nur in aller Eile: Ich war gestern Abend bei Dr. Elias. |Sonst anwesend Brahm (der mir immer sympathischer wird), Georg Hirschfeld und Frau, Dr. Jonas etc. Allgemeines Fragen nach Dir. Ich konnte keine Auskunft erteilen. Brahm sagte: Du habest ihm mitgeteilt, es sei Dir ein Lustspiel eingefallen. Darüber freuten sich Alle (ich besonders), und Alle (ich besonders) hoffen, daß Du den Plan ausführen wirst.
Wenn ich Deine und Olgas |Andeutungen recht verstehe, wollt Ihr im Herbst heirathen. Das issehr gescheit, und ich denke, die Legalisirung des Zustandes wird in jeder Beziehung von segensreichen Folgen sein.
Auch von Euren Reiseplänen habe ich mit Vergnügen vernommen; meine besten Wünsche begleiten Euch nach dem schönen Süden.
Da Du sicherlich Lust bekommen wirst, mehr von Wilde zu lesen, so lies »Dorian |Grays Bildniß« (in der Übersetzung von Greve).
Ich habe nichts vergessen, nichts überwunden; habe nach meiner Rückkehr aus Wien wieder eine schreckliche Krisis durchgemacht; und verbringe mein Leben in Reue und Sehnsucht, hoffnungsloser Sehnsucht. . . . 
Nächstens mehr! Viele herzliche Grüße Dir und Olga!
Dein
 Paul Goldmn
|Die Triesch, die gestern Abend auch da war, sagte, daß sie nach Leipzig geht, um dort den »Schleier der Beatrice« zu spielen.
    Bildrechte © Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar