Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 29. 4. [1902]

|Berlin, 29. April.

Mein lieber Freund,

Die »Tägliche Rundschau« hat auch heut Morgen noch nicht für nöthig befunden, nachdem sie in überaus taktloser Weise Deinen Namen genannt und sogar von einem »Fall Schnitzler« gesprochen hat, von Deinem Dementi Notiz zu nehmen. Die »Tgl. Rundschau« ist ein alldeutsches und antisemitisches Blatt und gilt für sehr »literarisch«, ebenso wie der Herr Karl Strecker (der ein germanistischer Schwätzer ist) für einen »vornehmen Kritiker« gilt. Es ist möglich, daß das |Schweigen der Tgl. Rdsch. nur Schlamperei ist, daß der Herr Strecker vielleicht die Angelegenheit in seinem nächsten Referat berühren will. Aber schon dieses Warten, nachdem er das Maul so voll genommen und eine »offene Frage« an Dich gerichtet hat, ist unanständig. Ich bitte Dich daher, ihm in gemessenem Ton einen Brief zu schreiben, Dein Erstaunen über sein ganzes Vorgehen, Dein noch größeres Erstaunen über die Nichtveröffentlichung Deiner Antwort auszudrücken, ihn um sofortige Publikation Deiner Antwort zu ersuchen und die Hoffnung auszusprechen, daß |er Dich nicht dazu nöthigen wird, die Veröffentlichung dieser Antwort, die eine schlicht literarischen Anstandes ist, auf andere Weise zu erzwingen. Wenn das nicht hilft, wirst Du das Blatt selbstverständlich klagen. Hier liegen die Verhältnisse anders als in Österreich, und jedes Gericht wird Dir Recht geben. Ich übernehme die Angelegenheit und besorge Dir einen guten Advokaten. Ebenso würde ich rathen, daß Du bei der Wiener Staatsanwaltschaft Anzeige erstattest. Diesem sauberen Herrn von Jurco muß doch das Handwerk gelegt werden. Auch an die |Direktion des Carl Weiss Theatersolltest Du schreiben und Dir die Nennung des wirklichen Namens des Herrn von Jurco erbitten. Die Direktion hat dem Berliner Tageblatt  auf eine telephonische Anfrage geantwortet, daß sich unter diesem Pseudonym ein Autor aus »guter Wiener Familie« verberge, dessen Namen allerdings die Direktion nicht nennen könne.
Hebe Dir (für den Fall, daß es zum Prozeß kommt) alle Berliner Zeitungen auf, die ich Dir schicke, sowie eine Copie Deines Briefes an Strecker.
Viele treue Grüße!
Dein
Paul Goldmann
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