Lieber Doctor Schnitzler! Ich sage Ihnen vielen Dank
für Ihre freundlichen Grüße. Meinem
Papa habe ich, – wie schon oft vorher – auch gestern wieder Vorstellungen Ihretwegen gemacht. Er
beruft sich darauf, dass er jetzt gerade sehr viel Pech in seinem
Geschäft und mit allen möglichen
Widerwärtigkeiten zu kämpfen habe, die er nicht hat voraussehen können; und bittet
Sie um Entschuldigung und um ein wenig Geduld. Ich selbst
|empfinde diese Affaire am
schmerzlichsten, warum machen Sie eine Schwenkung weg von mir? Ich
weiss recht gut, dass diese Sache nicht der Hauptgrund ist, obwol sie dazu beitragen
mag, eine vorhandene Verstimmung zu vermehren. Ich weiss dass Sie in künstlerischer Beziehung in mich Erwartungen setzen, die ich noch nicht eingelöst habe. Aber glauben
Sie, der Sie mich kennen, dass ich dadurch nicht noch viel mehr herabgedrückt werde,
und noch mehr leide? Sie kennen meine Situation, Sie sehen es jetzt selbst mit an,
wie ich für jeden ange
|nehmen Tag durch nachträgliche Plackereien zu leiden habe, wie ich durch eine
mühsame Reconstruction unseres Hauswesens in allen Studien, u. Lebensbedingungen auf
Schritt und Tritt gehemmt, zurückbleiben musste, dazu kommt noch das langsame Tempo,
in dem mein Talent arbeitet, ein Tempo, das sehr
vornehm sein mag, wenn ich
↓auch↓ überhaupt von Talent reden kann. –
Dass ich Ihnen ferne geblieben
lag wol mehr an den Umständen der letzten Wochen, als an mir. Dass ich Ihnen von
meiner Krankheit keine Mittheilung
machte, geschah, weil ich in solcher vermehrter |Verstimmung nicht für Sie zu
taugen schien, dann weil ich weiss, dass Ihnen die Behandlung solcher Sachen nicht
gerade angenehm ist, und endlich, weil ich doch hoffte bis Sonntag wieder soweit zu sein, um Sie zu treffen.
Jedenfalls danke ich ihnen herzlich für Ihre Grüße von gestern. Ich wäre froh, wenn es zwischen uns nicht mehr der Worte
bedürfte, um unser unserer Gesinnung zu versichern.
Vielleicht bin ich übrigens diesmal Schuld, und war
der Ton in Ihrem Brief nur eine eingebildete
und keine thatsächliche Veranlaßung.
Ich hoffe diesen Winter doch noch mit einem Positivum zu schließen, und bleibe
bis auf Wiedersehen Ihr
unveränderlicher
Salten
Ich kann seit gestern schon auf eine Stunde
ausgehen, und besuche Sie vielleicht morgen.