Sie werden nicht am be
sten von mir denken, weil ich Ihnen über die
Werke, welche
Sie mir
so überaus freundlich und anerkennend ge
sendet, noch immer kein Wort
ge
schrieben hatte. Aber er
st hier, wohin ich mich aus dem hirn- und
nervenzerrüttenden Trubel des
Wiener
Lebens vor vier Wochen zurückgerettet, war es mir möglich, die Bücher mit
der nöthigen Sammlung vorzunehmen. Und da muß ich Ihnen dann gleich
sagen, daß
mir Ihr »
Anatol«
ungemein gefallen hat. Das i
st ein hochintere
ssantes, gei
stvolles
Buch, das von großer Welt- und Weiberkenntniß zeugt. Fri
sch und flott, wie es
ge
schrieben i
st, gewährt es Einem beim Le
sen großen Genuß. Das »
Märchen« ist gewi
ssermaßen eine concentrierte Vertiefung
der
Anatol-Themen und hat, da ich ähnliche
Seelenqualen und Conflicte in meinem Leben oft genug durchgemacht,
sehr
stark
auf mich gewirkt. Daß es
sich auf der Bühne nicht halten konnte, daran i
st,
meiner Meinung nach, nur der Um
stand
schuld, daß Sie die Gestalt
Fannys nicht genug verdichtet, nicht
genug herausgearbeitet haben. Ich glaube, die modernen jungen Dramatiker
|schaden
sich
sehr, indem
sie gewi
ssermaßen
unbedingt den Spuren
Ibsen’s folgen. Die
ser
war es, der zuer
st den Monolog aus dem Drama hinausgedrängt hat. Ich aber
behaupte, daß der Monolog ab
solut nothwendig i
st – und zwar als Moment – wenn
auch nicht der Selb
sterkenntniß,
so doch der
Selbstbeobachtung, ohne welche kein Mensch (der die
sen Namen
bean
sprucht) jemals
sein wird und
sein kann. Würde
Fanny nur ein einziges Mal ihre Stellung zu
Denner in ern
ster
Selb
steinkehr überdacht, würde
sie ihr Ge
sicht geprüft – und das
selbe
wahr und echt vor ihrem Gewi
ssen
emp↓be↓funden haben; dann wären auch wir
überzeugt und würden ihr Schick
sal als ein tragi
sches erkennen. So
mü
ssen wir, wie
Denner, an
Worte und Betheuerungen glauben – oder nicht, glauben, wie er
selb
st. Die
anderen Figuren
sind ganz prächtig, und, wie ge
sagt, das
Stück hat mich, nicht blos
stellenwei
se,
sondern im Ganzen
ergriffen, wenn ich auch, was
die Durchführung betrifft, nicht immer mit dem Verfa
sser überein
stimmen konnte.
Nach die
sen unter allen Um
ständen
sehr hervorragenden Lei
stungen er
schien mir
»
Alkandis Lied« weniger bedeutend, wiewohl
es als ganz hüb
sche Satire auf den Nachruhm gelten kann.