|(Brief von F. S.–),
Unterach, 17/8. 1892
Abschrift (1/3 907.)
Verehrtester! Ich bin durch das was ich die ganzen
Tage hier durchlebt, wirklich für mein Vergehen hart gestraft, und nicht zuletzt ist es Ihre
Güte, die mich fast ganz zu Boden drückt. Glauben Sie mir – und Sie können mir jetzt
glauben, – ich stehe vor mir selber wie vor einem Rätsel! Ich will sehr kurz sein,
Ihnen keine Phrasen machen. Erlassen Sie mir bitte, ein detailliertes Geständ|nis. Nehmen Sie als
Wahrheit an, dss ich Alles wieder gut machen werde u.
es immer wollte, dss aber nicht Alles, was Sie mir jetzt
zuschreiben, auf mein Kerbholz kommt. Könnte ich Ihnen sagen, wie ich gelebt, wie meine häuslichen Umstände waren, Sie würden manches
begreifen, vielleicht auch mehr als ich selbst davon begreifen kann.
Ich weiss, dss ich nun bei jedem andern Menschen das Vertrauen verloren hätte, allein
ich weiss auch, dss ich selbst bei Ihnen nicht |auf das »frühere Verhältnis«
hoffen darf, allein das Eine will ich Ihnen sagen, dss mir jetzt zu trauen ist wie
nur irgend Einem, dss ich auch gute Keime in mir trage, die nicht vernichtet werden sollen, u dass solange ich denken u fühlen kann mein
Geist u meine Seele unzerbrüchlich Ihnen zu eigen bleibt.
Es mag das erstgradig klingen, doch kommt es mir zu sehr
aus tiefinnerstem erschüttertem Gemüth, als dss ich es stilisiren könnte.
Ich mache keinen Versuch der Entschuldigung, keinen Ihre Vertraulichkeit wieder zu
er|langen, allein ich
ersehne den Tag, an dem Sie mich wieder genug schätzen, um meine Freundschaft zu
erproben.
Verzeihen Sie dss dieser Brief auf sich warten liess. Solange ich ganz verzweifelt
war, konnte ich Ihnen nicht schreiben, – ich hatte auch
andres im Sinne, nun bin ich wieder etwas gefasster, u es bleibt mir nur die eine
Bitte, dass das Geschehene zwischen uns an keinen Dritten verlaute. Ich habe zwar
kein Recht darauf, allein ich kann mirs noch erwerben.
Ich bitte Sie um nichts als mir zu schreiben, ob das so sein soll, oder ob ein |Dritter bereits darum
weiss
Werden Sie mir das mittheilen?
Ich bleibe indessen ich ihrer Antwort harre, wie man nur je einen Brief voll
Sorge u Aufregung erwartet,
Ihr Felix Salten
17/VIII 92