Felix Salten an Arthur Schnitzler, 23. 8. 1892

|Unterach 23. August 1892
Verehrter Freund! Dass die Lösung nicht von mir ausging liegt nur daran, dass Sie mir zuvorgekommen sind. Seien Sie überzeugt, dass ich entsetzlich unter diesen Erbärmlichkeiten gelitten habe u. noch unsagbar leide, u. dass ich sofort mit der Wahrheit vor Sie hin getreten wäre, im Augenblicke in dem ich alles wieder hätte gut gemacht. Dass es überhaupt möglich war, läßt sich allerdings nicht aus der Welt schaffen, u. wenn auch Sie möglicher|weise darüber hinwegkommen, ich werde es kaum imstande sein. Ich bin vollständig niedergebrochen u. habe auch den Rest von Elasticität verloren, den ich noch hatte, und wie mein äußeres Leben unter dem Zeichen dieser fruchtlosen Reue u. Selbstpeinigung steht, so kann ich Ihnen auch von dem inneren künstlerischen nichts berichten. Es kann ja doch jetzt von irgend einer Arbeit nicht die Rede bei mir sein.
Ich werde hier von Liebe und |Güte erdrückt u. habe doch Beides nie so wenig ertragen, als gerade jetzt, ich wäre auch längst fort von hier, wo ich den Leuten durch meine consequente Verstimmung auffalle, wenn nicht der Gedanke an Wien noch so schrecklich für mich wäre.
Auch zu Richard u. Loris wäre ich längst gefahren, aber wie soll ich jetzt mit ihnen reden? Übrigens wäre ja wahrscheinlich Alles ebenso gewesen, wenn die Lösung auch nicht erfolgt wäre.
Ich sage Ihnen herzlichen Dank für Ihren Brief, u. |bin immer
Ihr
 FSalten
    Bildrechte © University Library, Cambridge