Felix Salten an Arthur Schnitzler, [31. 3. 1892]

|Lieber Arthur! Soeben bin ich für immer von der »schönsten Pflicht des Bürgers« freigesprochen worden, und mir ist, als hätte ich eben mich selbst zum Geschenk erhalten. Ich bin in einer so guten, leichten Stimmung, dass ich meine, man hätte mir in der Welt kein schöneres Präsent machen können. Der Aufenthalt |im Assentlokale mitten unter diesen Anderen ist etwas Entsetzliches. Man ist wie diese hier, und wird als dasselbe angesehen und behandelt wie der vertrottelte Schuster, besoffene Maurergeselle, arrogante Commis ec. ec. 1529, – der Schuster – 1530 – der Maurergehilfe, – 1531 – ich, 1532 – der Commis u. s. w. aber man kann niemandem einen Vorwurf daraus machen, der Staat richtet |sich hierin nach der Natur, die ja für uns nicht die Ehre hat, – Sie wissen schon, und die uns weder ein längeres Leben noch andere Nerven gibt.– Der Maurergehilfe lebt sicher länger als ich, und der Commis wird mich vermutlich mit meiner Geliebten betrügen, weil er eine vielversprechendere Nase hat als ich.
Auf der Herreise habe ich eine kleine Novelle erlebt, reizend sage |ich Ihnen. Ganz ohne Handlung, denn das Rendezvous auf der Kettenbrücke werde ich heute N. M. kaum einhalten. Es ist nicht mehr nothwendig. Ich kenn’ sie schon, also – abtreten.
Leben Sie wol. Vielleicht erst Samstag Abend Café Kremser
Herzlich Ihr
Felix Salten.
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