Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 16. 9. [1901]

|Dessauerstrasse 19
Berlin, 16. September.

Mein lieber Freund,

Bin aus Danzig zurück, finde Deinen lieben Brief, habe sehr viel zu thun und kann einstweilen nur in Eile antworten: Habe gestern die Triesch gesprochen, die mit Sehnsucht auf Deine Stücke wartet und auch sehr gern die Lustspielrolle im dritten spielen möchte. Außer |dem neuen Stück von Sudermann hat Brahm gar nichts.
Das Urtheil, das Schwarzkopf und Salten gefällt haben, halte ich für durchaus unrichtig.
Dagegen billige ich durchaus den Standpunkt, den Burckhardt  in der Militär-Affaire einnimmt. Laß’ die Leute nur reden! Und schreib’ weiter gute |Stücke! Das ist die beste Antwort und ärgert sie am Meisten.
Ich danke vielmals für die Zusendung der alten Hosen, die ich bei Euch vergessen hatte. Hättet sie auch behalten können.
Empfiehl’ mich Deiner Frau Mutter und sei herzlichst gegrüßt!
Dein
Paul Goldmann
    Bildrechte © Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar

    Lustspielrolle … spielen] Irene Triesch übernahm bei der Uraufführung von Lebendige Stunden am 4. 1. 1902 am Deutschen Theater Berlin die Rolle der Margarete in Literatur.

    Stück] Hermann Sudermanns Fünfakter Es lebe das Leben wurde am 1. 2. 1902 am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt.

    Urtheil] zu den Einaktern Die Frau mit dem Dolche und Lebendige Stunden, vgl. A. S.: Tagebuch, 4. 9. 1901

    Standpunkt, den Burckhardt] Max Burckhard, ehemaliger Direktor des Burgtheaters, war seit 1901 am Verwaltungsgerichtshof tätig und beriet Schnitzler in der Lieutenant Gustl-Affäre. Er empfahl Schnitzler, nicht zu reagieren, vgl. Arthur Schnitzler: Max Burckhard, April 1912.