Fernsprecher:
Amt VI. No. 2838.
Berlin W., den 23. Januar

Mein lieber Freund,

Ich danke Dir für Deinen lieben Brief. Gern hätte ich Dir längsschon geschrieben, habe aber unendlich wenig Zeit.
Gegen Deine Hypochondrie weiß ich nur ein Mittel: Reisen. Komm’ nach Berlin! Oder geh’ nach Florenz!
In der Passauer Straße bin ich hier und da. Sehr liebe Frauen. Aber was soll ich Dir |von ihnen oder von ihr schreiben? Ich finde sie sehr anständig, sehr gut, sehr sympathisch. Und doch (offen gestanden) habe ich kein rechtes inneres Interesse mehr für sie. Das Alles ist einmal gewesen. Vergangene Zeiten, zu denen man nicht mehr zurück kann. Es ist unsere Jugend – aber unsere Jugend, die sich nicht von der Stelle gerührt hat und alt geworden ist. Wir aber sind inzwischen nicht nur älter, sondern auch anders geworden.
Auch über diese Theaterdamen-Zigeunerwirthschaften bin ich hinausgewachsen. Es amüsirt mich nicht mehr, es macht mich traurig. |Ich habe nur eine Sehnsucht: geordnete Verhältnisse, Wohlstand, Ruhe, Ehe. Ich suche ein sympathisches, nicht allzu künstlerisches und vermögendes Mädchen. Wenn Du eine weißt, kannst Du die Parthie zusammenbringen. Du kriegst Prozente von der Mitgift.
Der Wunsch, mich zu verheirathen und zu versorgen, – noch rasch in den letzten paar Jahren, ehe es zu spät ist, – läßt mich nicht mehr los. Mein ganzes Leben lang bin ich ein Arbeitsthier gewesen und habe auf Alles verzichten müssen. Werde ich auch das nicht erreichen? Es sieht |beinahe so aus.
Schreib’ mir bald!
Grüße mir den Richard! (Was macht er?)
Viele treue Grüße!
Dein
Paul Goldmann.
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