Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 25. 9. [1899]

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Lumière Eléctrique Mailand 25. September.

Mein lieber Freund,

Wie geht es Dir? Bist Du wieder hergestellt? Wie fühlst Du Dich in Wiesbaden? Rückt die Arbeit vom Fleck? Und hast Du wieder Talent?
Hier ist Sommer, – helles, frohes Licht und linde Luft. Du hättest Dir doch einen Ruck geben und |mitkommen sollen. Es hätte Dir wohlgethan. Und dieses sanfte Entzücken in diesem Italien! Und diese Fülle des Lebens in Mailand!
Während der Fahrt las ich mit hohem Genuß Muellers Gespräche mit Goethe. Das ist kein für die Unsterblichkeit zurecht gemachter Goethe, wie der Eckermannssondern Goethe als Mensch, mit all’ seinen Schwächen auch und manchen Widerwärtigkeiten. Selbst Antisemit war er, der Schuft! Mueller sieht ihn nicht als Gott an, wie Eckermann, |sondern fühlt sich ihm mehr gleich und ist darum kritischer. Und doch wieder, alle die goldenen Worte, die das Buch enthält!  . . .
Schreib mir nach Firenze, ferma in posta!
Viele treue Grüße!
Dein
Paul Goldmnn
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