Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 22. 6. [1896]

Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour. Paris, 22. Juni.
Bureau à Paris

Mein lieber Freund,

Es issehr lieb und freundschaftlich von Dir, daß Du so auf dem Zusammentreffen mit mir bestehst. Auch mir kannst Du glauben, daß ich Dich nicht mit leichtem Herzen »aufgeben« würde und daß ich sehr betrübt sein würde, wenn ich Dich in diesem Jahre nicht sehen könnte. Aber es wird sich doch schwer machen lassen. Da ist zunächst der materielle Grund. Ich habe weniger Geld als je, |und wenn ich auch mich im Princip nicht fürchten würde, mir etwas von Dir auszuleihen, so heißt doch »ausleihen« soviel als: Geld nehmen, um es wiederzugeben. Nach meinen jetzigen finanziellen Zuständen sehe ich aber absolut kein Mittel, das Ausgeliehene in absehbarer Zeit zurückzugeben. Dazu kommt noch Allerlei an sonstigen Gründen: Ich bin sehr müde und nervös, und die weite Eisenbahn-Reise erschreckt mich. |Ich kann ferner weder Seeluft noch Seebad vertragen, sondern brauche zu meiner Erholung Gebirgsluft. Außerdem habe ich über die Preise in Scodsborg von einem Dänen, der jedes Jahr hingeht, ganz andere Auskünfte erhalten, als Ihr: er meint, es sei das theuerste dänische Seebad. Endlich interessirt mich der skandinavische Norden wenig, Dänemark ganz besonders wenig, |und durch das Dänen-Gesindel, das ich um Albert Langen habe kriechen sehen, habe ich sogar einen starken – vielleicht ungerechten – Widerwillen gegen Dänenthum bekommen. Nun glaube ich so: Du wirst nach vier Wochen schwedisch-norwegischer Reise ausgiebig genug von Skandinavien haben, desgleichen Richard, wenn er bereits im |Juli hingeht. Da Ihr nun so wie so nach Mittel-Europa zurück müßt, wie wäre es, wenn wir uns im August in der Schweiz träfen? Einen großen Umweg macht Ihr nicht. Auch ist es gar nicht übel: vier Wochen zu reisen und sich dann in der Schweiz, im Engadin  etwa, auszuruhen. Warum seid Ihr denn |gar ssehr auf das verfluchte Dänemark  erpicht, wo es nicht einmal Kunst gibt, außer Thorwaldsen, den man doch besser nicht kennt. Und Hamlet, welcher der einzig interessante Däne war, ist auch schon todt. Wenn Ihr nun darauf besteht, so werde ich doch mein Möglichstes thun, um zu kommen. Aber Ihr solltet auch Einwände hören.
|Daß man von Albert Langen überhaupt Eindrücke empfängt, überrascht mich. Das zählt doch gar nicht mit. Das ist ein dummer Bube, dessen geistige Unfähigkeit hart an Blödsinn grenzt. Das ist zugleich frech und infam. Ich bitte Dich: laß’ Dich mit dem Burschen in keiner Weise ein, gib’ ihm keinen Rath und verhilf’ ihm zu keinen Bekanntschaften. |Er wird Dich ausnutzen und Dich mit Bübereien entlohnen. . . . . 
Ich habe den Richard Mandl nun endlich kennen gelernt. Begeistert bin ich nicht. Ein netter und ganz gescheiter Mensch, aber sehr egoistisch, sehr berechnet, sehr kalt, sehr von sich eingenommen, sehr stolz auf seine relations mondaines. Talent? Einiges jedenfalls, |viel aber wahrscheinlich nicht. Er hat ein Lied von Dir componirt, wie Du weißt. Ich halte das für mißlungen. Die leichte Trauer des Liedes hat er in die schwersten Accente übersetzt. Das Lied ist melancholisch, die Musik tragisch, Verse und Composition sehen sich an und können sich nicht verstehen.
Bitte, danke Richard für seine Correspondenz-|Karte. Ich hoffe, das hat ihn nicht zu sehr ermüdet. Am Tage, wo er diese Correnspondenz-Karte verfaßt, hat er gewiß nicht mehr am »Götterliebling« weitergeschrieben, – hoffentlich aber hat er sich am nächsten Tage wieder diesem Werke zugewendet, dessen zweites Capitel jetzt sicher bereits der |Vollendung entgegenreift.
Grüß’ Dich Gott, liebster Freund!
Dein
 P. Goldmn

|Le 19 Juin ’96

Mon cher confrère

Ci-joint l’article dont je vous ai parlé. Peut-être M. Schnitzler en aura déjà pris connaissance, si par exemple vos confrères à Vienne ou à Berlin ont eu l’obligeance de le lui faire parvenir.
Mille amitiés
Votre dévoué
 AHermant.
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