Fondateur M. L.
Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Mein lieber Freund,
In Angelegenheit der Aufführung von »
Liebelei«
in
Paris habe ich ge
stern einen Schritt gethan, den ich
läng
st thun wollte. Ich war bei
Jean Thorel, de
ssen Namen Du gewiß kenn
st. Sehr braver u. gewi
ssenhafter
Mensch, wenig Kün
stler, großer
Freund Hauptmanns, von dem er die »
Weber« u. »
Hannele« für die
Pariser Aufführung über
setzt hat,
Intimus v von
Antoine etc. Ich habe ihm von Deinem
Stück ge
sprochen,
il est très – emballé là-dessus, will es gern über
setzen, unter der Bedingung freilich, daß es zur
Aufführung
|kommt, will Schritte zur Aufführung bei
ern
sten Theatern thun, verlangt aber baldige Ein
sendung des
Buches, im
Druk Druck oder auch im Manu
script. Wenn es irgend geht,
sende ihm die
Sache, mit einem artigen
Briefe, deut
sch ge
schrieben, worin Du Dich ent
schuldig
st, daß Du wegen mangelnder
franzö
si
scher Stylgewandtheit ihm nicht franzö
si
sch
schreib
st. Er wird keine
glänzende Über
setzung machen; eine gute franzö
si
sche Über
setzung bekomm
st Du
überhaupt nicht, da alle über
setzenden Franzo
sen mehr oder minder plumpe Handwerker
sind; aber von Allen, die ich kenne,
|wird er die
Sache noch am Wenig
sten verhunzen. Damit erledigt
sich wohl von
selb
st der Brief des
jungen
Mannes aus
Lyon, der mir
son
st
sehr gefällt und
sehr ehrlich zu
sein
scheint. Aber ich habe
mich nach ihm erkundigt, kein Men
sch kennt den Namen,
selb
st die
Lyoner Journali
sten nicht.
Drum Drum i
sts wohl be
sser,
sich nicht aufs Un
sichere einzula
ssen und lieber den
geraden Weg, d. h. einen bekannten
Übersetzer zu wählen. Ent
schuldige, daß ich den Brief
solange behalten. Aber
wüßte
st Du, was Alles in meinen Kopfe rumort hat,
seitdem!
|Ha
st Du an
Aubry oder
Frau
ge
schrieben?
Die kürzlich zurückge
sandten Druck
sachen haben mich intere
ssirt, wie alles Übrige.
Wolter, die dumme
Gans, hat mich belu
stigt,
Ludassy mag
d ich gar nicht – auch Einer, der mit dem Erfolge geht und Dich bei der er
sten
Schwierigkeit im Stich la
ssen wird. Die kleine
Parodie i
st nicht übel
gemacht. Daß
Granichstaedten jede↓jede↓ nur irgend mögliche Gemeinheit begeht, i
st
selb
stver
ständlich. Du ha
st
Recht, Dich nicht dabei aufzuhalten. Weiter
schreiben i
st die be
ste
|Antwort. Zum Ha
ssen und zum Bekämpfen
solcher
per
sönlicher Wider
sacher haben nur die unproductiven Leute Zeit
,↓.↓ wie z. B. Nur den
Bahr würde ich an Deiner Stelle doch ein
salzen. Das i
st nämlich eine Maßnahme von
Hygiene des alltäglichen Lebens. Der
Bursch darf Dir nicht mehr ins Haus, es muß ein deutlicher
und klarer Bruch zwi
schen Dir und ihm
sein. Was ha
st Du ihm auf das infame Billet geantwortet, das er Dir nach
seiner
Kritik |zu
schreiben die Frechheit h
e↓a↓tte?
Bergers Feuilleton ha
st Du mir leider nicht
ge
schickt.
Daran, daß die Leute Deinen Erfolg Deinen Freunden und Beziehungen zuschreiben, wirst
Du Dich gewöhnen müssen. Das Gesindel d kann doch
nicht rückhaltslos loben; irgend etwas Geringschätzendes müssen sie einfließen
lassen. So haben sie das gefunden. Beim nächsten Erfolg werden sie schon auf etwas
Neues kommen. Das Alles hat aber nicht die geringste Bedeutung, |und mit all’ ihrer Gemeinheit, vorn herum oder
hinten herum, können sie Dir nichts Wesentliches rauben. rauben.
Herzl war bei mir und
sagte über Dich
wohl× wohlwollend: »Der i
st jetzt der größte Dichter von
Wien«. Auch die
sen wir
st Du bald auf der Gegen
seite finden. Oh
was für ein widerliches
Subject! Ich habe nicht die Kraft
verhehlt,
ihn gehabt, ihm diesmal den ab
stoßenden Eindruck zu verbergen, den er mir
machte.
|Auch
Sudermann i
st mir nicht
sympathi
sch. Freilich i
st er zu Dir anders
,
wie zu mir. Aber die
se
seine Einfachheit
ist eine i
st
eine gemachte; und er i
st
sogar eitel darauf, der
schöne Mann zu
sein. Auch bin ich
überzeugt, bei
Fra Frauen
spielt er den Räth
selhaften
und Dämoni
schen.
Ha
st Du nun wirklich die »
Liebelei« für Dich
umgearbeitet? Und was macht das neue
Stück? Werde ich es im Manu
skript zu
sehen
bekommen, auf
|einen Tag, wie immer? Und was
schreib
st Du
son
st? Und wie und mit wem leb
st
Du? Was macht die große
Tragödin? Wie lange wird die »
Liebelei«
noch ge
spielt werden? Der Erfolg i
st phänomenal. Ha
st Du viel Geld verdient? Und das
spar
st Du doch hoffentlich? Ha
st Du die
sechs
E Aus
schnitte aus der »
Liberté« erhalten, die ich Dir
senden ließ? Was macht die Frau
Lou Andreas? Was
|macht
Richard? Arbeitet er? Wird was von ihm er
scheinen? . . . . .
Wir Zwei! In einem Deiner Briefe befindet
sich eine lange und rührende Stelle
darüber, die mich jetzt beim Wiederle
sen nicht weniger bewegt, als beim
A×f
er
sten Mal. Es i
st lieb, daß Du Dir
solche Mühe gib
st, mir die
schlimmen Dinge
auszureden. Sprechen muß ich Dir davon, denn ich bin Dir Ehrlichkeit
schuldig. Von
Dir aus i
st gewiß nichts zu befürchten. Du wir
st
|Dich nicht ändern, was auch kommen mag, und wir
st einfach und treu bleiben. Aber in
mir
sitzt das Übel. Ich habe die Empfindung – und
sie kehrt immer wieder, trotz allen
Ankämpfens dagegen – daß Du mir auf einmal ferner gerückt bi
st, als je, daß Du und
ich jetzt auf zwei ganz ver
schiedenen Lebensgefilden
stehen, die weiter auseinander
liegen, als
fe Wien und
Paris, und
w durch etwas Weiteres getrennt
sind, als
durch einen Raum von fünf Jahren. Du und ich,
w wir
werden jetzt zwei
|ver
schiedene Leben führen. Das
× kommt nicht plötzlich, aber ganz
all allmälig,
ganz unmerklich. Du wir
st oben leben, und ich unten. Derjenige aber, der unten
bleibt, bemerkt die Veränderung immer zuer
st. Ich
b habe die Empfindung, daß Du
mir mir lang
sam
entrückt wir
st, und daß ich Dir nicht nach kann. Ich denke
noch mir, daß ich ein Stadium in Deinem Da
sein war, daß
sich Dein Leben von mir weg weiter entwickelt: denn mein Leben
ent entwickelt
sich
|nicht, und ich bleibe
stehen. Ich meine, daß Du mich nicht mehr brauch
st, und daß
meine Rolle
auprès de ta personne ausge
spielt i
st. Ich
sehe Dich weit, weit weg von mir. Schreib’ mir,
was Du will
st, ich kann mir nicht helfen: ich
sehe
Dich eben
so. Ich weiß, daß Du die größten Kraftan
strengungen machen wir
st, um mich
mit Dir zu nehmen; aber ich weiß, daß
|keine Kraft
da nützen kann, weil es ein
Gesetz i
st, daß ich
zurückbleiben muß.
Ich drücke das Alles
schlecht aus. Es i
st heut wieder
ein
schlimmer Tag. Ich
sitze mit
schwerem Kopfe da, und habe mich eine Nacht
schlaflos herumgewälzt, in Seelenqualen. Die Arbeit habe ich
satt. Habs wieder einmal
mit dem Leben ver
suchen wollen. Oh, was für eine Sehn
sucht ich danach habe, nach dem
heißen, lebendigen
|Leben! Nicht vorwärtskommen,
gut! Der Ehrgeiz und das Alles i
st doch nur kün
stlich! Aber leben! Und da i
st ein
süßes
Kind, die der
liebe Herrgott für mich ge
schaffen hat
.↓,↓ Grisette oder
so etwas. Aber
sie kann mich nicht lieben, weil ich nicht jung bin und
kein feuriger Liebhaber. Und da es nun nichts wird und da alle Sehn
sucht wieder
einmal vergeblich war, entdecke ich, daß ich im Innern
stets eine Ang
st davor
|gehabt habe, es könne doch wahr werden und mir doch
gelingen! . . . .
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund!
Dein
treuer
Paul Goldmnn
Schreib’ bald!