Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 8. 12. [1893]

Directeur M. L. Sonnemann. Paris, 8. December.
Journal politique, financier,
commercial et litteraire.
Paraissant trois fois par jour
Bureaux à Paris:

Mein lieber Freund!

Dank für die Kritiken; ich kannte sie größtentheils schon. Drei oder vier verstehen Dich oder geben sich wenigstens ehrliche Mühe, Dich zu verstehen. Der kleine Salonblatt-Mann, der Dir zum Lustspiel räth, ist auch auf der richtigen Fährte. Du brauchtest unbedingt ein paar Monate Pariser Theater; Du würdest die unermüdliche Anstrengung des jungen Stücks sehen, objectiv, kurz, natürlich, lustig zu werden. Das ist der Weg, |der geradeaus in die Zukunft geht. Das ist auch der Weg Deines Talents. Ein Lustspiel, theuerster Freund, – oder ein Schauspiel, aber ohne Herzensergüsse! Könntest Du Dich nur mit meinen Augen sehen – Du würdest keinen Augenblick mehr zögern, und in einem Jahre wäre die Vollendung da, in Production wie Erfolg. Bitte schreib’ mir ein Wort über Deine Pläne.
Bahr – der kränkt Dich so? Er ist frech, größenwahnsinnig, unausstehlich doctrinär. Der Verweis auf seine »Neuen Menschen« ist eine glatte Gemeinheit. Und doch finde ich ihn nicht respectlos; und doch finde ich, daß |er manches Richtige sagt. Vielleicht aber fehlt mir auch das richtige Urtheil; ich bin so außer Zusammenhang mit den Wiener Verhältnissen. Heiter ist nur, wie der Bursch fransische Dinge citirt.»Le grappin«, das Théâtre-Libre-Stück, von dem er spricht, behandelt etwas absolut Anderes als das, was er behauptet. Ein frecher Schwindel, um sich in allen Sätteln moderner fransischer Literatur gerecht zu zeigen.
Granichstaedten hätte ich an Deiner Stelle geohrfeigt. Das ist keine Kritiksondern ein Gassenbubenstreich.
Freut mich, daß Du nicht |verbittert bist. Das gehört sich auch so. Ich meine, Du kannst mit Deinem Debüt sehr zufrieden sein. Man gibt Dir Credit, und das ist enorm für einen Jungen.
Hast Du Loris über Bauernfeld gelesen? Wie aus diesem gottbegnadeten Menschen die entzückenden Dinge herausquellen, so leicht und sprudelnd. Ein Dichter! Derjenige vielleicht, den man seit fünfzig Jahren erwartet!
Grüß’ ihn von mir, denn ich habe keine directe Verbindung mehr mit ihm; grüße auch Richard aus selbigem Grunde; sei selbst herzlichst gegrüßt und schreibe bald!
Dein
 Paul Goldmn
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