Nur das Allerwe
sentlich
ste will ich rasch bemerken. Ich täusche mich gewiß nicht,
wenn ich meine, daß wir in
Salzburg ein wenig ver
stimmter, kühler und fremder ge
schieden
sind,
als dies früher zwi
schen uns Brauch war. Das heißt, Du bi
st von mir
so ge
schieden,
nicht ich von Dir. Und im Be
streben, mir das zu motiviren, bin ich auf einen Grund
gekommen, der mein Verhalten Dir gegenüber, das Du mir in Deinem Briefe zum Vorwurf
mach
st, ein wenig zu rechtfertigen
scheint. Durch die
sen Deinen Brief verleitet, habe
ich Dich nämlich rückhaltslos zum Vertrauten von einem Theile meines Leides gemacht
und habe Dich
sogar per
sönlich in die
se unglück
seligen Vorgänge hineingezogen.
Seitdem kann ich das Gefühl
|nicht los werden – und
Du ha
st auch nichts gethan, um
sein Aufkommen zu verhindern, – daß Du geringer von
mir denk
st und eine
Nuance von Widerwillen gegen mich ha
st. Die
se
Leiden nämlich
sind
so niedriger und gemeiner Natur, daß
sie den, der
sie tragen muß,
nicht nur unglücklich machen,
sondern auch
schänden. Ich
spreche das deshalb
so aus,
weil ich in einem ähnlichen Fall gewiß Ähnliches empfinden würde. Das hat mit der
Moral und
Lo Logik nichts zu thun. Wir – Du und ich –
sind eben
so hyper
sen
sibel, daß uns
alles Mißduftige und Gemeine ver
stimmt,
selbst felb
st wenn es ein unver
schuldetes Unglück i
st.
Deine Leiden, lieber Freund,
sind ritterlicher und cavaliermäßiger Natur,
die meinen proletari
sch und gemein. Und
|die Furcht
vor Deiner Hyper
sen
sibilität – ich betone nochmals, daß ich von
D mir auf Dich
schließe, – i
st es haupt
sächlich immer
gewe
sen, was mich an vollem Vertrauen in die
ser Beziehung gehindert hat. Weniger der
Zweifel an Deiner Theilnahme. Ich weiß, daß Du es gut und freund
schaftlich mit mir
mein
st. Freilich glaube ich, daß in die
ser Beziehung die Rollen zwi
schen uns Beiden
nicht ganz gleichmäßig vertheilt
sind. Ich glaube nicht, daß Du für mich jenes Gefühl
inniger, eventuell bis zur Selb
stentäußerung gehender Zuneigung empfinde
st, das ich –
keine Phra
se, mein Sohn! – für Dich empfinde. Er
stens weil ich mich nicht für den
Mann halte, der im
stande i
st, bei einem Andern
de ein derartiges Gefühl hervorzurufen.
|Und
zweitens, weil Du doch nicht
so durch die Schule des Lebens gegangen bi
st wie ich und
weil man eben nur in die
ser Schule – mag man von Natur mit noch
soviel Herzensgüte
begabt
sein – die Kun
st lernt, von
sich zu ab
strahiren und in Andern aufzugehen. Ich
beklage mich durchaus nicht über die
se Ungleicheit. Ich bin gewohnt, mit den
gegebenen Verhältni
ssen zu rechnen, ver
stehe Deine Stellung zu mir und habe Dich
deshalb auch nicht um ein
en Gran weniger
|gern. Hier und da nur thu
st Du
mir weh. Und das i
st eben oft gerade in jenen Momenten,
des wo ich Dir von meine
m↓n↓ Schmerzen erzähle und wo ich nachher entweder immer das peinliche Gefühl
habe, ich mü
sse Dir dankbar dafür
sein, daß du mich angehört ha
st, oder gar das
Gefühl, daß du mich überhaupt nicht gehört ha
st. Vielleicht daß ich Unrecht damit
habe. Vielleicht, daß es richtig i
st, wenn Du
sag
st, ich litte am »Kleinheitswahn«
und daß dann an die
sen Empfindungen ich
schuld bin. Aber auf der andern Seite, wenn
Du mich kenn
st und meine ab
scheuliche Empfindlichkeit auf die
sem Gebiete kenn
st,
so
sollte
st Du die
se Empfindlichkeit nicht noch reizen,
um s selb
st nicht durch kleine Äußerlichkeiten. Deine Zer
streutheit
|hier und da,
sag
st Du, i
st nur eine Äußerlichkeit.
Gut! Um
so leichter müßte es Dir
sallen,
sie zu überwinden. Wenn Dir wirklich an
meinem Vertrauen liegt, an meinem Vertrauen nämlich über
res meae,
so
sollte Dir das kleine Opfer der Rücksicht auf meine
Empfindlichkeit kein zu hoher Preis dafür
sein.
Aber ich meine doch, es ginge auch, ohne daß ich Dich in meine Leiden hineinziehe.
Der Gesunde hat in der Stinkluft einer Krankenstube nichts zu suchen, und Du bist der
Gesunde von uns zweien, so weh Dir auch gegenwärtig um’s Herz sein mag. Verletzen
darf Dich das aber nicht, das wäre kindisch und Deiner nicht würdig. Wenn ich Dich
mit meinen Jeremiaden verschone und nur in |Momenten damit herauskomme, wo mir das Herz gar zu
voll ist, – so thue ich das nicht aus Nichtachtung, sondern aus Rücksicht gegen Dich! . . . . .
Vieles hätte ich Dir jetzt über das
Mädel zu
schreiben. Der Eindruck, den
sie am letzten Abend auf mich gemacht, war nämlich
ganz und gar nicht
sympathi
sch, und ich habe mehr als je die Überzeugung, daß
Du die Deine sich da Deine Phanta
sie wieder ein
Wesen con
struirt hat, das
sich von dem wirklichen ganz
we
sentlich unter
scheidet. Ich komme immer mehr zu der An
sicht, daß auch die
se
Geliebte Deiner nicht würdig
i
st. Ein liebes
Mädel schon,
ein
schönes
Mädel auch, aber
weder
so ge
scheit, noch
so kün
stleri
sch, noch auch
so keu
sch
|und
grethchenhaft als Du glaub
st. Ich kann Dir
sagen, daß mich,
wie ich bei näherer Betrachtung herausgefunden, das Verhalten des
Mädels an dem letzten Abend in manchen Beziehungen an die –
Jeannette
erinnert hat. Und, merkwürdig, heut war die
Hildegard de St. Quentin wieder bei mir
.↓,↓ – ich habe Dir einen ganzen Band über die
ses außergewöhnliche
Wesen zu erzählen – und da
stellte es
sich heraus, daß
|sie im vorigen
Jahr↓Winter↓ das
Conservatorium be
sucht hat und auch
die
Kleine kennt. »Die
hüb
sche kleine
Chlum«,
sagt
sie, »mit dem ewigen A
strachankragen!«
Und
spricht
sich etwas
sehr von oben herab über das
Mädel aus, was im Munde die
ser
Person zweifellos weder Neid,
noch Überholung, noch Böswilligkeit i
st.