|Dr. Arthur Schnitzler 24/1 908
verehrtes Fräulein,
ich danke Ihnen herzlich für Ihren liebenswürdgn Brief. Sie sind aber gewissenhaft!
Es als Fehler einzubekennen, dass Sie mich nach meinem ersten Buch »verkannt« haben–!
Dazu ist man ja geradezu verpflichtet. Ich glaube, ich habs selber auch gethan. Und
thue es auch jetzt noch oft genug, in schlimmen Stunden (die einem in diesen schli
mmen Stunden selbst als die einsichtsvollen erscheinen.)
Im übrigen, we
nn man die Wahl hätte zwischen verka
nnt und
|»falsch
gekannt« sein – ? Dies letztere passirt einem allerdings nach dem siebzehnten oder
achtundzwanzigsten Buche eher als nach dem ersten. Und man erholt sich schwerer. Den
Stein der Weisen (den Sie
schätzen) hab ich nicht gefunden und nicht geschrieben. Sie meinen das
Novellettenbuch »
die Frau des Weisen«. Ich bin
wohl vor dem Verdacht geschützt mich revanchiren zu wollen, we
nn ich Ihnen sage, verehrtes Fräulein, wie stark Ihr
Leonardobuch auf mich gewirkt hat. Ich benütze eben die Gelegenheit. Da wir
einander leider nie begegnen, sind wir auf Gelegen
|heiten angewiesen, um uns gegenseitig schmeichelhafte Dinge zu sagen. Und da Sie
sogar meine Lyrik nicht ungelobt lassen (was ich als Originalitätshascherei auffasse)
so müssen Sie es auch geduldg hinnehmen, dass ich mich Ihrer reizvollen
Bang Silhouette mit Vergnügen
erinnere.