Arthur Schnitzler an Hermann Bahr, 17. 3. 1930

Wien, 17. 3. 1930.
Mein lieber Hermann, dein Heimweh nach Wien und das deiner verehrten Gattin hat auch mir ans Herz gegriffen, und der Hofrätin, mit der ich neulich davon sprach. Aber so wenig ich den Nobelpreis kriegen werde, so wenig hab ich in Oesterreich zu sagen, sonst hätt ich dich längst wieder ans Burgtheater berufen (auf die Gefahr hin, dass du mich wieder nicht aufführst, auch ohne Poldi) – und wie erst Frau Mildenburg an die Oper oder wohin sie sonst möchte, – und in der Musik geht ja meine Objectivität noch weiter als in der Literatur. Aber je weniger man versteht und je mehr man liebt, um so gerechter ist man.
Aber Scherz beiseite, was bindet dich eigentlich an München? Ich habe das Gefühl, dass deine Leiden und – entschuldige – deine Hypochondrien sich hier zumindest lindern würden. Es würde viele freuen auch manche die nicht in allem deines Sinnes sind, Dich wieder hier zu wissen. Denn wissen wir überhaupt welchen Sinnes wir sind. Kaum welchen Herzens. Beziehungen, auch unterbrochene, auch gestörte, sind das einzige reale in der seelischen Oekonomie. Wenn mir meine Vergangenheit erscheint, bist du mir immer Einer der nächsten, und so kann es auch in der Gegenwart nicht anders sein.
Klingt das nicht ein bischen nach fünfter Akt, erste Scene? Sagen wir: Vierter, vorletzte. Wir wollen nicht sentimental werden. Ich bemerke mit angemessener Kühle: Hoffentlich sieht man sich einmal wieder. Es wäre schön.
Von Herzen Dein
 Arthur