Mein Trieb war, augenblicklich einen so herzlichen Brief zu beantworten. Es war
mir nicht möglich Zeit zu finden. Endlich nach anderthalb Jahren Arbeit sind die
zwei Bände über Cäsar, der erste von 500, der andere von 600 Seiten grossen Formats, vollendet,
und ich kann aufatmen.
Erinnern Sie sich einmal vor Jahren, es war eben an Ihrem Geburtstag und Sie
waren so freundlich gewesen, mich zu Tisch einzuladen; ich sagte: Sie sind
gerade 20 Jahre jünger als ich; Sie antworteten: Und wir beabsichtigen auch
ferner diese Distanz von einander zu halten. – So ist es gegangen, die Distanz
ist geblieben, eine seelische Entfernung nicht eingetreten.
Ich habe Sie nie vergessen, mich immer mit Ihnen beschäftigt, und auch Sie
gedenken freundlich meiner, obwohl wir uns nur selten sahen.
|Hier hat man in der vorigen Saison versucht, zwei
Ihrer
Stücke zu
spielen, ich sah das eine, das
Stück über den Schauspieler, das sehr gefiel und nicht übel gegeben
wurde. Jetzt wird wieder
etwas von Ihnen, an einem anderen
Theater, gespielt werden. Man hat hier leider immer weniger Kunstverstand; doch
werden Sie geschätzt; nur sagt unsere unglaublich idiotische Kritik, Sie seien
von
Peter Nansen beeinflusst. Ich glaube, Sie schrieben, bevor
Sie seinen Namen gehört hatten. Und wo wäre die Ähnlichkeit!
Nansens Tod war die Veranlassung Ihres guten
Briefes. Dieser Tod hat mich tief ergriffen, so tief, dass es mir ist, als lebte
er noch. Mir gegenüber ein sonderbarer Mensch. Dreissig Jahre hat er mich
gekannt, und
↓in 25↓ mir nie näher getreten. In seinen
beiden Ehen war ich nie in sein Haus geladen, ich habe nicht einmal in einem
flüchtigen Besuch je seine Wohnung
|gesehen. Dann plötzlich in
den fünf–sechs letzten Lebensjahren schloss er sich mit einer Innigkeit an mich,
dass ich eine Art Hauptperson in seiner Gedankenwelt wurde, er widmete mir
öffentlich seine
Bücher,
schrieb öfters über mich – natürlich meistens irrthümlich – aber mit dem besten
Willen.
Es war sehr, sehr traurig, die Abnahme seiner Kräfte zu verfolgen. Man litt fast
mit ihm.
Und doch ertrinkt dies Einzelne in dem allgemeinen Jammer der Menschheit. Glauben
Sie nicht ab auch, dass diese Kugel, Erde
genannt, in dem Weltall den Record bestialischer Stupidität geschlagen hat? Es
scheint mir unmöglich, dass ein anderer Globus von dümmeren und ekelhafteren
Wesen bewohnt sein kann.
Ab und zu werde ich von
Oesterreichern
aufgesucht, aber es ist zuletzt unerträglich, von seinen Landsleuten als
Gebrauchsgegenstand,
|von
Fremden als Sehenswürdigkeit aufgesucht zu werden. Wenn vierzig Briefe und
12 Bände pr. Tag
kommen mit der Post
↓kommen,↓ und wenn es alle drei Minuten an der Türe
schellt, so ist es unmöglich, nicht zu wüthen.
Sie irren sich völlig, wenn Sie glauben, dass ich hier für einen Vertreter
dänischen Geisteslebens gelte. Die Zeit ist
längst vorüber. Ich habe mich von allem äusseren Leben zurückgezogen um zu
arbeiten, und betrachte es als meine einzige Aufgabe, der
nordischen Jugend gegenüber, sie mir vom Halse zu halten.
Ich überlasse anderen die Freuden des öffentlichen Vortrags und des
Beifallklatschens.
Ihre Frau
Gemahlin war mir
in
Wien 1913 eine liebe Wirthin. Ich sage ihr meinen Dank; hoffe, dass Sie
Freude an den
Kindern haben. Ich habe ein paar kleine
Enkel,
10 und
5 Jahre, die selten hier sind, aber sehr lieb.