ich lese vom Tode
Peter Nansens, und habe das
Bedürfnis irgend jemandem zu sagen, wie tief mich das Hinscheiden dieses
liebenswerthen Menschen bewegt, den ich zuletzt kurz vor Ausbruch des Kriegs bei
mir in
Wien gesehen habe – schon recht verändert, ja irgendwie gezeichnet – aber
doch noch von dem ganzen Zauber seines Wesens umwittert, den ich, fast mehr als
aus seinen reizvollen Büchern, aus seinem Gehaben, seiner Art zu sprechen,
seinem Schweigen, seinen Blicken zu spüren vermeinte. Nun fügt es der Zufall,
daß ich mir gerade in der letzten Zeit Ihre Briefe, lieber und verehrter Freund
abschreiben ließ – einige, mit Bleistift geschrieben, waren fast unlesbar
geworden, – und nun, da ich sie,
vom ersten bis
zum letzten,
alle – mit welchem Vergnügen! –
wieder durchnahm, fand ich öfters
Peter
Nansens Namen wiederkehren; auch von seinem Kranksein ist die Rede
darin, und da liegt es nahe mich mit meinem Beileid, – meinem Leid an Sie zu
wenden, der
Nansens Freund war und für mich
zugleich, und für die meisten Mitlebenden,
|der repraesentative Mann
Daenemarks ist. Und
ich benutze die Gelegenheit Ihnen wieder einmal, über diese zerrissene und
stöhnende Welt hin
über↓weg↓, die Hand zu drücken um Ihnen zu sagen, mit welcher Sympathie, ja darf
ich es etwas sentimental ausdrücken –: mit welcher Sehnsucht ich Ihrer gedenke!
Von Ihren letzten Büchern haben Sie mir geschrieben;– vom
Goethe und
Voltaire;– sie existiren noch nicht in deutscher Sprache, – und nun werden Sie wohl
auch Ihren
Julius Caesar bald abschliessen. Aber wa
nn werd ich
Ignorant, der nicht daenisch versteht, sie endlich lesen dürfen? – Auch ich hab
allerlei gemacht – nicht so bedeutungsvolles! – und nach meiner alten
zudringlichen Gewohnheit werd ich Ihnen ein
Stück und eine
Novelle zusenden, sobald sie gedruckt sind. – Aber
wann werden wir einander wiedersehen? Lassen Sie mich doch bald wieder – und
wärs nur mit einem Wort, wissen, daß Sie sich wohl befinden und Ihre edle Stirn
über den Dunst und Dampf dieser Jammerwelt in
|reinere Lüfte emporzurecken vermögen. Ihnen im neutralen
Land ist es doch immerhin leichter als
uns. In meiner Familie geht es ganz leidlich; mein
Bub (wird 16) meine
Tochter (wird 9) entwickeln sich in jeder
Hinsicht gut; meine
Frau
hat wohl unter den häuslichen Kriegswirtschaftssorgen wie jede u jeder etwas
gelitten, trotzdem aber ihre Kunst nicht vernachlässigt, ihre Stimme entwickelt
sich aufs schönste. Nun ist sie bei ihrer
Schwester in
Bayern
(
Partenkirchen) wohin ich Mitte dieses
Monats auch zu fahren gedenke. Über politisches ka
nn
ich mich in einem Brief nicht so ausführlich äußern als ich möchte – wie
complicirt gerade bei uns all diese Probleme sind, ersehen Sie aus jeder
Zeitung, selbst aus dem censurirtesten
Wiener
Blatt. Und trotz aller Schwierigkeiten – Misslichkeiten – Unsicherheiten: wie
viel Auftrieb, Sti
mmungskraft, Talent – welche
positive Möglichkeiten in diesem
Land, das vielleicht nicht
|alle
seine Bewohner als »Vaterland« aber jeder als »Heimat« liebt. Ich muß hier
innehalten – trotzdem ich daran bin, viel freundlicheres über
Oesterreich zu sagen, als es
↓selbst↓ unsere officiösen Zeitungen zu thun pflegen.
Bitte bestätigen Sie mir bald den Empfang dieses Briefes und erhalten Sie mir und
den Meinen Ihre Freundschaft.