Robert Adam an Arthur Schnitzler, 29. 7. 1918

|Wien, 29. Juli 1918.

Hochverehrter Herr Doktor!

Besten Dank für Ihre Karte!
Ich bin seit gestern – denn der Urlaub ist zu Ende – wieder in Wien und habe heute früh den Dienst wiederangetreten. Eine Stellage und der Schreibtisch voll unerledigter Akten lassen mir die nächsten Wochen wenig erfreulich erscheinen; morgen ist der erste Verhandlungstag.
Den Urlaub habe ich, glaub ich, gut ausgenützt. Ich brachte von einem fünfaktigen Stück die ersten drei Akte, die Hälfte des vierten und den fünften bis auf die Schlußszene mit nachhause: die Arbeit der letzten zehn Tage. Hoffentlich bringe ich sie heut und morgen gänzlich unter Dach; so lange wird wohl die |»Kraft« noch anhalten. Aber dies Stück ist keineswegs das fürchterliche Kriegsdrama geworden, das ich in Andorf vorersschreiben wollte: ich war viel zu weit weg von Kriegsnot und Ärger, Hunger und Bitterkeit. Der heimkehrende Menschenfresser blieb liegen: vielleicht steht er im Winter wieder auf. Was entstand ist: Yppl, eine Idylle in 5 Akten aus der Zeit vor dem neuen Mittelalter – eigentlich eine Provinzkomödie, die den Mangel starker Handlung durch die Bezeichnung Idylle beschönigen will. Ich habe mit großer Lust und vielem Behagen diese vor sehr vielen Jahren halb-selbsterlebten Szenen niedergeschrieben und bin sehr begierig, ob sie auch Ihnen Spaß machen. Ich meine noch – denn ich bin ja noch nicht fertig –, daß man der Arbeit ansieht, wie eifrig ich im letzten Jahr meinen Molière studiert habe.
|Wenn ich Sie vor Ihrer Abreise noch sehen könnte, wäre es mir eine außerordentliche Freude. Ich habe selbstverständlich immer Zeit.
Mit den besten Grüßen Ihr sehr ergebener
Robert Adam
    Bildrechte © University Library, Cambridge