Albert Ehrenstein an Arthur Schnitzler, 6. 11. 1909

|Albert Ehrenstein 6. XI. 09.

Sehr geehrter Herr Doktor,

nun habe ich auf meiner Tournee durch die Schattenseiten des Metiers zu meiner nicht ganz gelinden Verzweiflung auch noch die kennen gelernt, welche sich in Maschinenfräuleins und deren Schreibfehlern verkörpert. Von den Arbeiten, die sich in dieser Neugestaltung bei Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, einfinden, sind Ihnen nur »Mitgefühl« und »Saccumum« unbekannt.
Da ich keine Ahnung habe, was für Sachen einem Verlegerherzen goldhaltig scheinen können, habe ich keine besondere Auswahl |unter meinen Produkten getroffen – wahrscheinlich isso etwas wie eine Sichtung auch kaum durchführbar. Ich wenigstens habe nicht herausfinden können, welches die langweiligsten sind – es tut einem wirklich die Wahl weh. Gäben die Götter, daß der Herr Kommerzienrat Fischer diesen angeblichen Novellenzyklus akzeptiert oder – was ihn ja nichts kosten würde – irgendetwas in der Rundschau bringt. Es wäre das für mich eine kleine Versicherung gegen gewisse Stupiditäten der Außenwelt, die sich demnächst in zudringlichen Fragen historischen Charakters manifestieren dürften.
|Und ein etwaiger Mißerfolg wäre im Vorhinein kompensiert.
Sollte eine Art von grausamem, aber vielleicht logischem und gerechtem Parallelismus mich auf beiden Seiten zuschanden werden lassen, meinen Erfahrungen gemäß nicht bloß auf Ihren Empfehlungen, sondern auch auf meinen Leistungen so etwas wie ein Fluch liegen, bleibe ich Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, noch immer äußerst dankbar für so manches frühere, namentlich für Ihre harten Worte über mein Übelwollen – denn auch eine derartige Frottierung hatte äußerst nötig Ihr ergebenster
 Albert Ehrenstein.
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