Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler, [30. 3. 1902]

|mein lieber Arthur

ich danke Ihnen herzlich für Ihren lieben Brief. Ich denke, Sie müssen wissen dass eine solche Heftigkeit, wie die meinige, eben nur gegen einen Menschen ausbrechen kann, der einem so nahe steht, dass ein »pikiert-sein« gar nicht |eintreten kann, sondern eben nur ein plötzlicher Ausbruch von Ungeduld, wenn man merkt, dass der andere einem etwas unangenehmes thut, ohne das Bewusstsein davon.
Das ist also vollkommen erledigt und weggeblasen. |Aber:
ich habe bis jetzt weder der Gfin Thun, noch Kassner abgesagt.
Ich frage also nochmals an (im Telephon versuchte ich heute, Sie waren aber nicht in Wien) ob es Ihnen unbequem wäre, Donnerstag 1h dieses Frühstück zu haben? Jetzt steht die Sache aber |natürlich ganz anders: ich erwarte mir von Ihnen ganz gleichmäßig eine bejahende oder eine verneinende Antwort. Sagen Sie mir ab (ohne weitere Motivierung) so weiß ich, es ist Ihnen wirklich schwer, einzutheilen, bin natürlich weder erstaunt noch im geringsten bös (jetzt ist ja das Formale der Sache nicht mehr existierend) |sagen Sie mir aber zu, so bleibt es dabei, ich bin nämlich Donnerstag ohnehin in Wien.
Missverstehen wir uns also jetzt gewiss nicht, lieber Arthur.
Es wäre mir eine kleine Freude, einer lieben und nicht besonders heiteren Frau |diesen Wunsch zu erfüllen, aber wenn es zustande käme unter dem geringsten Zwang Ihrerseits, Ungeduld, kurz Selbstüberwindung, so wäre das eine Überlastung dieser kleinen Veranstaltung und da ist viel gescheidter |sie kommt gar nicht zustande.
Bitte also telegrafieren Sie mir ja oder nein, ohne Motivierung und mit völliger innerer Freiheit.
Nur bitte Telegramm oder Telefon damit ich den beiden Personen rechtzeitig eventuell |absagen kann.
In die Generalprobe Mittwoch kann ich kaum gehen, weil ich abends zur Duse gehe, und das ein bissl viel ist.
Auf bald, hoffentlich.
Von Herzen Ihr
Hugo.
    Bildrechte © University Library, Cambridge