Verehrtester Herr Brandes,
in die
sem Briefe finden Sie mein neues Stück »
Freiwild« einge
schlo
ssen. Nicht »weil ich Ihrer verge
ssen« – mu
ss ich das
wirklich
sagen – ?
sende ich es er
st heute ab! Wie Sie
sehen, ist das Stück noch
Manuscript;
|ich habe
mich bisher nicht ent
schließen können, es als Buch er
scheinen zu la
ssen. Auf dem Theater macht es ja
seine Wirkung; in der Lecture
scheint es dürr und
unangenehm. Ich empfinde das um
so verdrießlicher, als ich glaube, d
ss mir die Komödie
in glücklicherer Sti
mmung hätte gelingen mü
ssen.
|Der Stoff i
st mir lang nachgegangen, und obwohl
man heute den Eindruck gewinnen mag, das ganze
sei einer The
se zu Liebe ge
schrieben,
so i
st es mir
seinerzeit doch aus dem Leben empor- und entgegengequollen. Und
vielleicht ko
mmt auch das Misglücken
selb
st wieder aus
etwas
sehr lebendigem
|her. Die weibliche
Hauptfigur hat namlich gerade in der Zeit, da der Stoff in mir reif wurde, einen
Sprung beko
mmen, der
sich dann, wie in einem an einer
Stelle eingedrückten Spiegel nach allen Seiten fortge
setzt hat. Ich habe das
Stück ein paar Mal ge
schrieben;
es i
st techni
sch reinlicher, aber innerlich
|nicht
be
sser geworden. Ich habe al
so auf ein Schick
salswort gewartet, um Ihnen das Stück zu
senden. Vielleicht wäre es auch eine Art von Unaufrichtigkeit gewe
sen, Ihnen, dem ich
bisher
schon
so wunderbare Worte freundlicher Theilnahme verdanke, die
ses Stück, das
ich ja nun doch einmal
|gemacht habe und
sogar
habe aufführen la
ssen, zu unter
schlagen.
Hier i
st
es al
so, und mit
ihm die herzlich
sten und verehrungsvoll
sten Grüße Ihres treu ergebnen
ArthurSchnitzler.