Hermann Bahr an Arthur Schnitzler, 23. 7. 1895

|»Die Zeit« Wien, den 23. Juli 1895
Wiener Wochenschrift IX/3, Günthergasse 1.
Herausgeber:
Professor Dr. I. Singer, Hermann Bahr, Dr. Heinrich Kanner.
Telephon Nr. 6415.

Lieber Freund!

Ich habe die »Geschichte von einem greisen Dichter« sofort gelesen und dann, nachdem ich sie einige Tage bei mir erwogen, noch einmal. Als Redacteur muß ich nun sagen, daß ich eine so lange, dabei doch dünne Geschichte von schwacher Handlung und nicht sehr deutlichen Gestalten durch Zerstückelung in etwa acht Partieen, mit Pausen von acht Tagen, schädigen und um jede Wirkung bringen würde. Wenn ich auch als Kritiker reden darf, so möchte ich nicht verhehlen, daß mir die Novelle von unmäßiger Länge und |einer gewissen, nicht in der Sache liegenden Schwere scheint, indem ein heiterer, aber nur bei Kürze und Leichtigkeit wirksamer Gedanke allzu gewaltsam hinausgezogen wird. Davon hoffe ich mit Dir anfangs August in Ischl zu sprechen und dem Redacteur wäre es lieb, wenn Du Dich entschließen könntest, es auf ein Drittel zu kürzen, was der Kritiker auch aus inneren Gründen billigen, ja fordern müßte. Jedenfalls danke ich Dir für die Sendung des Mnscrsehr und grüße Dich wie Richard herzlich
als Dein treuer
HermBahr
Herrn Dr Arthur Schnitzler, Ischl
recommandieren.
Alle für »Die Zeit« bestimmten Zuschriften und Sendungen sind an die Redaction der »Zeit« und nicht an die Person eines der Herausgeber zu richten.
    Bildrechte © University Library, Cambridge