Mein liebster, verehrter Herr Doctor!
Dass Sie so »spurlos« sich auch dem Staube gemacht haben, thut mir sehr leid. Seit
Ihrer Vorstellung haben wir uns ja gar nicht gesprochen.
»Sieh’
st du,
das hätt’ (!!!!) ich dir
↓doch↓
nicht ge
sagt!« – ich werde die
sen genialen Zug in Frl.
Falkner’s Dar
stellung nie verge
ssen. Und darauf noch dröhnender
Abgangsapplaus, der
d auch die
zweite Schlu
sspointe (»
Es ist ja leicht gegangen etc«) unmöglich machte! Von dem
»Bordell
stück« »
Abschiedsouper« wird hier viel
ge
sprochen.
Meine herzlich
ste Gratulation zur
Kritik in
N. Fr. Presse (und
Bauer im
Extrablatt)! Sehr dämlich hat
sich Herr
Skrein in der »
Allgemeinen«
geäußert.
Dies mal haben
N. Fr. Pr. u.
Allgemeine die Rollen getau
scht.
|Ich habe eine
Notiz an das
Wiener Tagblatt ge
schickt;
hoffentlich wird (oder, wenn Sie die
sen Brief erhalten)
wurde es gedruckt. Im
Magazin wird nichts er
scheinen. Allerdings bin ich nicht
schuld. Damit Sie meinen guten
Willen
sehen,
sende ich Ihnen beiliegend meine
Kritik↓Notiz↓, die mir heute
Neumann-Hofer
zurück
sandte – mit der Bemerkung:
»Eine Vor
stellung in
Ischl kann in einem
Wochenblatte nicht be
sprochen werden. Solche gelegentlichen Ereigni
sse
sind auf die
Notiznahme
seitens der Tagesblätter be
schränkt.« Na, al
so! –
Devrient’s Vorle
sung war famos: namentlich
Fontane.
Ich habe ihm gleich nach un
serer
seinerzeit. Unterredung nach
Wien ge
schrieben, er
solle
|Liliencron le
sen. Nun hat er mich –
selb
st
aufge
sucht. Liebenswürdig, was? Wie gedruckt;
Liliencron, den er
sich gleich kaufte, hat ihn
entzückt u. er wird ihn be
stimmt in
Wien vorle
sen. Er fragte mich auch, ob ich Gedichte von
Ihnen hätte; er wollte
sie nämlich in
Marienbad, wohin er
sich noch am Tage des Be
suches begab, vorle
sen. Da nun
aber die Vorle
sung gleich auf den näch
sten Tag ange
setzt war, lehnte er auch eine
eventuelles Telegramm an Sie (zu dem ich mich bereit erklärte) ab. Aber im
Winter will er’s nachholen.
Leben Sie wohl, bitte be
ste Grüße an
Loris u
Salten auszurichten!
Herzlichst Ihr sehr ergebener
KarlKraus
N.B. Was
sagen Sie zur »
Freien Bühne« in
Wien, die –
Elbogen aufführt. Ist das nicht zum Todtlachen? Die Veranstalter
sind
Revolverjournalisten.
Arthur Schnitzlers einaktige Komödie »
Abschiedssouper« fand im
Ischler Stadttheater ihre Probeaufführung. Das kleine
oberösterreichische Curorttheater i
st die er
ste
Bühne, die
sich des prächtigen Stückleins angenommen hat.
Der überaus lebendige, gei
streiche Einakter, der eine geradezu bravourö
se Technik
aufweist, i
st die wirk
sam
ste der
sieben »
Anatol«studien (siehe
Besprechung in N
r. 18) und fand den lebhafte
sten Beifall, den nur einige »ver
schämte«, in
ihren heilig
sten Gefühlen verletzte Curgä
ste im Intere
sse der
publiken und privaten↓privaten und publiken↓ Sicherheit abwehren zu mü
ssen glaubten. Ge
spielt
wurde recht brav; namentlich zeichnete
sich der treffliche
Jarno vom
berliner Residenztheater als
Max aus. Die famo
se
Schlu
sspointe gieng leider wirkungslos, weil unver
standen, vorüber. –
Arthur Schnitzler, neben
Loris der
talentvoll
ste unter den wenigen talentierten
Wienern,
musste hat an die
sem Abend die
Concurrenz – der Herren
Moser &
Misch aushalten mü
ssen, deren
↓dreiaktiger↓ Schwank »
Fräulein
Frau« gegeben wurde. Nach dem grobkörnigen Schablonenmachwerk das graziö
se
Kun
stwerkchen! Das war denn nun ein be
schämend leichter Sieg für Arthur Schnitzler.
Da
ss
sich gleichwohl die beiden
Schwankherren mit ihrem »
Fräulein Frau« die Bühnen früher erobert haben als Schnitzler, der ja doch
zu den bö
sen Modernen i. e. »Un
sittlichen« gehört, mit irgend einem
seiner Werke, i
st
bei der Ein
sichtslo
sigkeit un
serer Bühnenleiter begreiflich.
(K.K.)