Sehr verehrter lieber Herr Doktor
Ich danke Ihnen viele Male für Ihren lieben Brief und das schöne
Dokument Ihrer gerechten
Gesinnung. Ich glaube, dass auch ein so geleg
entliches
Wort nur durch den Geist und die Güte, die es bezeugt, in diesen Tagen zum Manifest
wird und zweifle nicht, dass es überall (ausser bei jenen Menschen, mit denen eine
innere Verständigung über alles für uns unmöglich ist) die vorteilhafteste Wirkung
im
Gefolge haben
wird↓muss↓. Ich habe es
Romain Rolland gesandt
und ihn gebeten, die Uebersetzung ins
Französische womöglich selbst vorzunehmen, damit auch nicht ein Wort in
seiner Bedeutung oder bloss
↓in↓ seinem Tonfall durch
schlechte Nachbildung verändert werde. Ich bin sicher, dass er sich eine Freude
daraus machen wird
↓,↓ Ihnen und vor allem der uns gemeinsamen
Sache der gegenseitigen Aufklärung dienlich zu sein. In wenigen Tagen werde ich mehr
darüber wissen.
Eine Veröffentlichung in
Wien wäre vielleicht
vorteilhafter, sobald der
Abdruck in der
Schweiz erfolgt ist und
der Regierungsrat
v. Winternitz würde
sicherlich gerne die offizielle Verlautbarung übernehmen. Seine Privatadresse ist
VIII. Kochgasse 29. Ich hoffe aber, ihn schon
in diesen Tagen sprechen und mich seiner zweifellosen Zustimmung versichern zu
können.
Ich wäre sehr glücklich, wenn ich Sie, verehrter Herr Doktor bald sehen oder wenigstens Ihre Stimme durch das
Telephon hören dürfte. Ich bin jetzt
|immer zwischen 4 und 5 Uhr zuhause, vorher hält mich der kriegerische Dienst,
nachher verlockt mich jetzt oft und öfter die Musik. Aber ich will gern jede Stunde
des Nachmittags von 4 Uhr, die Sie mir erlauben wollen, dazu wahrnehmen, um in das
Cottage hinauszukommen oder wohin immer es
Ihnen gutdünkt und Sie dann nicht
s nur Nachts im
Traum, ohne Ihre Erlaubnis, sondern am lichten Tag, mit Ihrer freundlichen
Verstattung heim
↓zu↓suchen
.
Ich beschäftige mich auch damit, für Ihre Frau
Gemahlin ein paar schöne Lieder für jenen
Liliencron-Abend zusammenzustellen, dessen Gelingen mich schon um des
denkbaren Arbeiterpublikums willen so sehr freuen würde. Bishin vielen Dank und die
herzlichsten Grüsse von
Ihrem immer getreuen
[handschriftlich:] Stefan Zweig
Verzeihen Sie die Schreibmaschine! Ich schreibe den ganzen Vormittag im Amt und
gebe dann meinern Fingern Rast!