|Felix Salten Berghof, 22. VII. 12

Lieber,

Sie sind nun wol schon in Brioni und haben dort gewiss all die schöne Sonne, die uns seit drei Tagen hier fehlt. Hier gibt’s Sturm, Gewitter und Regen. Man muß im Zimmer sitzen, aber das fördert meine Arbeit nicht. Wenn wir schönes Wetter haben und am Vormittag Ausflüge machen, bringe ich weit mehr zustande. Der graue Himmmel macht mich kaput.
Was Sie mir über Ihren »Bernhardi« schreiben, hab’ ich garnicht anders erwartet. Ich verstehe es so gut, dass Sie garnicht anders verfahren können. Das Stück ist nun da, es ist ein lebendiges Wesen, hat seine Notwendigkeit und seine Mission, und es wäre gerade für Sie unmöglich, ihm diese Existenz nun wieder zu nehmen. Ich kann es mir sehr lebhaft denken, dass Sie es als die schlimmere Eventualität empfinden, des Stück vorsichtig zurückzuhalten, statt es seinen Weg gehen und sein Schicksal haben zu lassen. Deswegen werden Sie es gewiß verstehen, dass ich fürs erste doch den Versuch machte, Sie zur Vorsicht zu bewegen. Von uns beiden müßte ich (oder sonst ein anderer Ihrer Freunde) die Bedenken haben, und Sie den Mut. Umgekehrt wär’s weniger angenehm, und ich muß sagen, in der jungen Geschichte dies Stückes möchte ich weder für jetzt, noch für alles, was eben noch kommt, unsere Discussion über den Gefährlichkeitspunkt nicht missen. Ich hoffe übigens, das ich in meiner Besorgnis zu schwarz gesehen habe, und dass auch alles anders kommen wird, als man sich's erwartet.
Wir leben hier ziemlich still. Fischers sind seit einer Woche da. Goldmark seit sieben Wochen. Er ist mit seinen dreiundachtzig Jahren bewunderungswürdig. Er lernt französisch, spielt Klavier, komponirt, flirtet, und hat in allem einen so verklärten Egoismus, dass man wirklich so was wie Größe empfindet. Ich entledige mich mir einiger Muß-Arbeiten, und denke, in Herbst zu wichtigeren Plänen zu gelangen. Alle sind wol, und warten auf gutes Wetter. Lassen Sie uns wissen, wie es Ihnen allen geht, wie sie auf Brioni leben, und seien Sie mit Frau Olga und den Kindern von uns allen herzlichst gegrüßt –
Ihr
Salten
    Bildrechte © University Library, Cambridge