Felix Salten an Arthur Schnitzler, 5. 7. 1908

|Wien, 5. Juli 08
Lieber, vielen Dank für Ihren teilnehmenden Brief, und danken Sie, bitte, auch Ihrer l. Frau für ihre Teilnahme. Mein armer Bruder hat uns bis vor etwa vier Wochen noch immer Hoffnung gelaßen. Sein Befinden war schwankend, aber nicht verzweifelt. Gelitten hat er in den ganzen fünfzehn Monaten beständig, mehr als sich sagen läßt. Dann aber begann ganz plötzlich das sterben und dauerte mit allen Qualen, die sich nur denken laßen, vier Wochen lang. Ich war viel, namentlich aber in den allerletzten Stunden bei ihm, und habe versucht, ihm durch fortwährendes Morphium wenigstens einen Teil seiner ungemein frischen Besinnung zu nehmen. Was für eine Krankheit ihn weggenommen hat von uns, das wissen wir noch immer nicht. Aber jetzt braucht man’s auch nicht mehr wißen. Ich bin jetzt an den Nerven wieder total herunter und von meinen Darmzuständen in peinigender Weise, mehr als je, heimgesucht. Trotz alledem muß ich sehr viel arbeiten, und muß den ganzen Sommer an die Arbeit wenden. Wir reisen Mittwoch früh nach Noordwijk, wo wir Sonntag eintreffen und bis 15. August bleiben. Otti geht von dort nach Franzensbad; ich über Baireuth und Salzkammergut nach Wien.
Nochmals vielen Dank Ihnen Beiden, auch meine Mama dankt Ihnen vielmals. Schönste Grüße von uns zu Ihnen.
Ihr  Salten
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