Felix Salten an Arthur Schnitzler, 26. 1. 1908

Semmering 26./1. 08
Telegramme:
Telephon:
Hôtel . . . .  Nr. 5.
Dependance Nr. 6.

Lieber,

danke sehr für Ihren ausführlichen Brief, der mich sehr gefreut hat. Den letzten Satz, da wo Sie sagen, dass Sie sich wieder »keck mitten ins Leben« u. s. w. habe ich, wie ich Ihnen gestehen muss, mit einer plötzlich aufsteigenden, sehr starken Ergriffenheit gelesen. Denn aus ihm sah ich erst ganz deutlich, wo Sie in dieser letzten Zeit mit Ihren Gedanken und Sorgen gewesen sind, und was Sie durchgemacht haben. Nun aber dürfen Sie sich wol freuen und Ihre Freunde mit Ihnen. Wundervoll ist es ja, wie diese Gefahr an Ihnen u. Ihrer Frau vorbeigeschwebt ist, und wie dann mit dem Grillparzer Preis etwas zu Ihnen kam, was schließlich doch im Tiefsten so etwas wie einen Schimmer von Glück bedeutet. Wir gehen dem Frühling entgegen, und Ihre Frau wird sich hoffentlich rasch erholen. Man sagt ja, dass nach dem Scharlach die Gesundheit intensiver wird, und so wird Frau Olga jetzt in ein schönes Genesen und Glühen kommen, und mit der Jahreszeit gehen. Besseres läßt sich kaum denken. Ihren Roman las ich nun doch in den ersten zwei Fortsetzungen. Sie werden meine Neugierde begreifen u. entschuldigen. Sagen kann ich jetzt natürlich noch nichts, ahne auch nur von weitem, wohin der Weg ins Freie führt. Aber eine Menge Menschen wird mir jetzt schon sehr lebendig und das Abreißen der Fortsetzung mir freilich je mehr zur Qual, je näher einem diese Menschen kommen.
|Ich bin seit Donnerstag voriger Woche hier oben; traf hier Frau Kainz mit Frau Schlenther, mit der ich komischerweise sehr sympathisirte. (Nett hat sich Schlenther in der Preis-Angelegenheit benommen) Samstag kam Otti mit den Kindern, Sonntag kamen Fischers, gestern u. heute ist der Kainz dagewesen, und Herr Fred ist immer da. Ich arbeite ein bischen und spüre noch immer meine Darmzustände. – Hoffentlich sehen wir uns hier oben oder in Wien. Ängstlich bin ich ja, das gebe ich zu. Sie wißen doch, dass ich wegen meiner Kinder beständig in einer halbtollen Furcht lebe. Aber ich denke, wenn Sie Heini bei sich haben, ist wol nichts mehr zu besorgen.
Also vieles Gute und Herzliche von uns zu Ihnen. Otti u. ich laßen Frau Olga besonders grüßen.
Ihr
 Salten
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