Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 17. 2. [1903]

Berlin, 17. Februar.

Mein lieber Freund,

Ich freue mich unendlich, Dich bald hier zu sehen, und werde Dich, wenn ich nichts Gegentheiliges höre, am Sonntag Vormittag gegen 12 Uhr im Palasthotel aufsuchen. Du kannst Dir gar nicht denken, wie sehr ich mich danach sehne, mit Dir zu besprechen, was mein Herz bedrückt. Freilich, viel wirst auch Du mir nicht helfen können. |Denn Du kannst mir ja auch nicht das Verlorene wiederbringen; und das allein wäre die Heilung. Aber jede Hoffnung ist vergeblich. Ich bin aus dem Leben dieser Frau, für die ich vor wenig Monaten noch Alles bedeutet habe, vollkommen ausgestrichen. Sie hat ihr Leben ganz auf den Andern übertragen, und ich höre nur, wie glücklich sie mit ihm ist. Ich selbst aber bekomme nicht einmal mehr ein Lebenszeichen. Alle meine Briefe, – flehende, reuige, verzweifelte Briefe – |bleiben ohne Antwort und selbst die Möglichkeit, indirekt Nachrichten von ihr zu erhalten, schneidet sie mir ab. Ich verzehre mich in Sehnsucht. Ich warte – und ich warte vergebens. Jeder Tag bringt sie dem Andern  näher und treibt sie weiter von mir fort. Und ich muß mir sagen, daß ich selbst an Allem schuld bin, daß ich die zärtlichste und hingebendste Geliebte in einer finsteren Laune fortgestoßen habe, nicht ahnend, |welch’ kostbaren Schatz ich besaß, was ich jetzt erst, zu spät, eingesehen habe. Ein Wahnsinniger war ich, – ein verblendeter Thor – ein unerfahrener dummer Junge trotz meiner 38 Jahre! . . . .
Reise glücklich nach Berlin, grüße Olga vielmals (auf deren Ankunft ich mich auch schon sehr freue) und sei selbst von Herzen gegrüßt von
Deinem getreuen
Paul Goldmann
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