Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 7. 7. 1907

7. 7. 07.

Lieber Freund,

Das traurige Ereignis hat in seinem Gefolge eine solche Fülle von Angelegenheiten gehabt, die erledigt werden mußten, daß ich erst heut dazu komme, Deinen lieben Brief zu beantworten u. Dir, auch im Namen der Meinigen, für Deine schönen, teilnehmenden Worte zu danken, die uns Alle tief berührt haben.
Mir ist der Tod zum ersten Mal ganz in die Nähe gekommen, |u. ich habe ihn erkannt, als das, was er ist: unsinnig u. scheußlich.
Das Schwerste, das Du mir zu überwinden wünschst, waren nicht die Tage in Frankfurt. Das Schwerste beginnt jetzt. Es ist die Leere, die das Hinscheiden eines geliebten Menschen im Leben des Zurückgebliebenen läßt, – es ist die Sehnsucht, ein teures Gesicht wiederzusehen, eine vertraute Stimme zu hören, die man niemals wiedersehen u.  wiederhören wird, – |es ist die Unmöglichkeit, sich Jemanden als todt (todt!) vorzustellen, der noch vor Kurzem von Geist u. Leben sprühte u. an dem man mit ganzer Seele gehangen hat. . . . . . . 
Dir u. Deiner Frau (der ich für ihre Teilnahme vielmals zu danken bitte) wünsche ich frohe Sommertage. Schreib’ mir jedenfalls, wo Ihr seid. Freilich ist die Hoffnung gering, daß ich Euch in diesem Sommer sehen werde, da ich diesmal meine Mutter nicht allein |lassen u. mit ihr keine weiten Reisen machen kann. Wahrscheinlich gehen wir im August zunächst nach Marienbad.
Mißverständnisssollen uns gewiß nicht mehr trennen. Ich bin wenigstens diesmal von Wien mit dem festen Vorsatz fortgefahren, Alles, was an mir liegt, zu tun, um mir eine alte Freundschaft zu erhalten, deren Wert ich gewiß nicht geringer bemesse, wie einst.
Nimm’ also nochmals meinen u. der Meinigen herzlichsten Dank u. sei, sammt Deiner Frau, vielmals gegrüßt von
Deinem
 Paul Goldmann.
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