Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 29. 1. [1901]

Berlin, 29. Januar.

Mein lieber Freund,

Auch ich war unruhig, aber es liegt kein Gund dazu vor, wie beifolgender Brief beweist. Da ich ein großes Mißtrauen gegen den behandelnden »Wunderdoktor« hatte, sandte ich das Mädel zu meinem Freunde Dr. Kuttner (den Dr. Hajek kennt u. schätzt). Die Visite fand gestern statt. Dr. K. telephonirte mir: Besserung sei bald zu erwarten. Er glaube, daß der behandelnde Arzt mit seinen Heilmitteln (Arsenik) im Wesentlichen auf dem rechten Wege sei, wünsche |auch, daß das Fräulein weiter bei diesem Arzt in Behandlung bleibe, da er großen psychischen Einfluß auf seine Patienten habe. Die Behandlung in der Nassei allerdings eine »Gemeinheit«. Ob Malaria vorliege, könne man nicht wissen, solange keine Temperatur-Messungen u. Blut-Untersuchungen vorgenommen, woran der behandelnde Arzt nicht zu denken scheine . . . .
Daß man Dich doch noch ehrengerichtlich verfolgt, ist |empörend! Sei nur ja recht vorsichtig und thue keinen Schritt, ohne vorher mit Rechts- und Landeskundigen Dich berathen zu haben!
In Eile!
Dein
P. G.

|[handschriftlich :] Lieber Herr Doktor,
Vor allem vielen Dank für Ihre Bemühungen. Wir sind heute mit Beruhigung von Dr Kuttner weggegangen. Ausführlicher werde ich Ihnen mündlich berichten. Die Krankheit, die |sich plötzlich gestern, Sonntag Nachm. brach, ist tatsächlich im Verschwinden und kein Rückfall mehr zu befürchten. – Wir sind Ihnen jedenfalls für diese Beruhigung sehr dankbar, die wir uns selbst zu verschaffen, |wahrscheinlich noch nicht die Energie gehabt hätten. – Bitte gelegentlich um ein Stückchen Ihrer freien Zeit.
Mit besten Empfehlungen für Ihre Frau Mamma 
Ihre ergebenen
Marie + GustiGlümer
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