Arthur Schnitzler an Felix Salten, 29. 7. 1929

|Mein lieber Felix Salten.

Am liebsten hätte ich Ihnen zu Ihrem 60. Geburtstag ganz privat und sehr herzlich die Hand gedrückt, Sie hätten dann ohneweiteres gewusst und empfunden, was ich hier niederzuschreiben versuche – und etwas mehr. Denn bei einem solchen Anlass und gar vor der Oeffentlichkeit die rechten Worte zu finden ist nicht ganz leicht, zumal für Einen, der weder zum Essayisten noch zum Festredner geboren ist.
Ueber das, was man gemeiniglich Leistungen zu nennen pflegt, werden Ihnen die Berufenen allerlei Ehrenvolles zu sagen wissen; mir ist jenseits des Ausserordentlichen, was Sie als Dichter, Journalist und Schriftsteller geleistet haben, (dies ist eine alphabetische Reihenfolge und keine Klassifikation) Ihre Persönlichkeit wert und bedeutungsvoll, deren Entwicklung seit frühesten Anfängen ich mit Spannung, Sympathie und Teilnahme nachbarlich mitangesehen und bis zum heutigen Tage als Freund begleitet habe. Einem Mann wie Ihnen, angeregt von allen Seiten und anregend nach überallhin, erfüllt von der fruchtbarsten Neugier und zugleich von Interessen bewegt, die ins Umfassende und Tiefe gingen, Einfühler und Eindenker im besten Sinn und dabei eigensinnig und selbständig an Geist und Seele, der sich nach reichem äusseren und inneren Verdienst mit der Zeit so viele Bewunderer erwarb, konnte es natürlich auch an Gegnern nicht fehlen;– welche Genugtuung muss es Ihnen sein, wenn Sie heute an der Schwelle Ihrer dritten Jugend, in diesem Land der Missgunst und der Vorbehalte Ihre vielseitige und immer lebendige Begabung gegen manches nicht immer unabsichtliche Missverstehen von Jahr zu Jahr in stets höherem Masse durchzusetzen vermochten. Sie stehen am Ziele – würde ich sagen, wenn ich nicht, verwöhnt durch Ihre eigene Schuld, gerade nach |Ihren Arbeits- und Lebensleistungen der letztvergangenen Jahre ein Weiter- und Höherschreiten mit froher Gewissheit von Ihnen erwartete. Aber ich will nichts prophezeien, so wenig diese paar Worte als Rückblick gelten dürfen,– ich will mich nur freuen, dass man Ihnen, mein lieber Freund, an einem solchen Festtag in doppelter Hinsicht, den Blick sowohl in die Vergangenheit als in die Zukunft gewendet, so vertrauensvoll und so von ganzem Herzen Glück wünschen kann.
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