|Mein lieber Felix Salten.
Am liebsten hätte ich Ihnen zu Ihrem sechzigsten Geburtstag ganz privat und sehr herzlich die Hand gedrückt;
Sie hätten dann ohneweiters gewusst und empfunden, was ich hier niederzuschreiben
vergeblich versuchen werde – und etwas mehr. Denn bei einem solchen Anlass und gar
vor mehr oder minder fremden Leuten die rechten Worte zu finden, ist nicht ganz
leicht, zumal für Einen, der weder zum Essayisten noch zum Festredner geboren
ist.
Ueber das, was man gemeiniglich Leistungen zu nennen pflegt, werden Ihnen in diesen
Tagen Berufene nach Verdienst viel Ehrenvolles zu sagen wissen; mir persönlich ist noch jenseits
des Ausserordentlichen, was Sie als Dichter, Journalist und Schriftsteller gewirkt
haben (dies ist eine alphabetische Reihenfolge und keine Klassifikation) |↓vor allem↓ das Gesamtbild Ihres Wesens wert und
bedeutungsvoll, dessen Entwicklung seit frühesten Anfängen ich mit Spannung,
Sympathie und Teilnahme nachbarlich mitangesehen und bis zum heutigen Tage als Freund
begleitet habe. Einem Manne, wie Sie, der, erfüllt von der fruchtbarsten Neugier und
von der dankbarsten Empfänglichkeit, angeregt von überallher, anregend in die Nähe
und in die Ferne, Einfühler und Eindenker in bestem Sinn, und dabei eigenwillig und
selbstständig wie Wenige, sich so viele Schätzer und Bewunderer erwarb, konnte es
natürlich auch nicht an Widersachern fehlen; – welche Genugtuung muss es für Sie sein,
wenn Sie heute an der Schwelle Ihrer dritten Jugend, in diesem Land der Missgunst
und
der Vorbehalte sich sagen dürfen, dass Ihre reiche, vielfältige und in jedem
Augenblick lebendige Begabung|gegen
manches nicht immer unabsichtliche Missverstehen sich von Jahr zu Jahr in stets
höherem Maasse durchzusetzen vermochte↓ hat↓. Sie stehen am Ziele – würde ich sagen, wenn ich nicht, durch Ihre eigene
Schuld verwöhnt, gerade nach den Arbeits- und Lebensleistungen Ihrer letztvergangenen
Jahre ein immer Weiter- und Höherschreiten mit froher Gewissheit von Ihnen erwartete.
Ich will nichts prophezeien, so wenig diese bescheidenen Worte als Rückblick gelten
dürfen,– aber freuen will ich mich, dass man
Ihnen, mein lieber Freund, an diesem festlichen Tage in doppelter Hinsicht, den Blick
sowohl in die Vergangenheit als der Zukunft zugewendet↓zugewandt↓, so vertrauensvoll und so von ganzem Herzen Glück wünschen kann.
[handschriftlich:] Ihr getreuer
ArthurSchnitzler