Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier, Paris, 28. Februar.
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Mein lieber Freund,
Die
se fürchterlichen drei Wochen
Zola-Prozeß
sind vorüber. Ich komme endlich wieder einmal zu mir und – zu Dir.
Sehr gefreut hat es mich, daß Du und
Richard in
Salzburg meiner gedacht habt. Ich danke Euch für Eure
liebe Karte.
Dein lieber Brief war auch sehr schön, aber er sollte doch etwas heiterer sein.
Lieber Sohn, verbittere doch Dir
doch nicht so Deines Lebens schönste Zeit! Laß’ es in Deinem Ohre klingen, wenn es nun schon durchaus nicht anders will. Aber ist denn das |etwas Ernstes?
C’est embêtant, voilà tout.
Und Jeder hat sein embêtement,
und Du hast absolut kein Recht, ein Leben ohne embêtement zu beanspruchen. Sei froh, daß Du nichts
Schlimmeres hast. Hindert Dich das an irgend etwas Wesentlichem? Schaffen, Erleben,
faire l’amour? Nein;
also laß’ × es klingen! Und wenn Du meinst, es mache Dir das Arbeiten unmöglich, so halte halte ich das für einen Fehlschluß, und ich
glaube, Du schiebst auf das Ohrenklingen nur ei den Mang Mangel an Inspiration, welcher daher
kommt, daß Du zu fest und zu warm sitzest in Deinem Phaeaken-Nest.
|Das
Feuilleton von
Herzl, von
welchem Du
schreib
st, habe ich nicht gele
sen. Könnte
st Du mir es nicht
schicken?
Mach’ Dich mit der ersten warmen Frühlings-Sonne auf und fahre Deinen Hypochondrien
davon, weit in die Welt hinaus. Wenn Du erst einmal draußen bist, wirst Du selbst
erstaunen, was für ein Kerl Du bist!
Der
Zola-Prozeß hat Dir wohl auch bis zum Ende gut gefallen. Es i
st intere
ssant,
daß wenn man plötzlich merkt, daß man wieder mitten im
Mittelalter lebt. Aber es i
st auch gut
so, daß
w wir wieder die alten Feinde vor uns haben.
Wom Das gibt einen
schönen Kampf, und
|man weiß
doch wenig
stens,
e wozu man auf der Welt i
st und verliert
sich nicht mehr ins Bodenlo
se, wie beim
Auf
suchen der »neuen Kün
ste« und
der »neuen Wahrheiten«. Es gibt eben in Wirklichkeit nirgends
d und
niemals etwas Neues, und das Einzige, wozu wir Men
schen fähig
sind, i
st, daß wir
immer das Alte wiedererleben, als Individuen wie als Völker
: Wir
leben ewig in der Vergangenheit, ein »Leben, wie es i
st«, und eine Sinnes-Täu
schung
zeigt uns den Ausblick auf das »Leben, wie es
sein
sollte« (wie es aber niemals
sein
wird),
da auf die Zukunft. . . . .
Im Sommer? Wie gern möchte ich Dich wieder
sehen! Aber ich weiß zur Stunde noch nicht,
wie
sich gewi
sse Dinge ge
stalten werden, welche meine
Redaction projectirt. Sei von Herzen
gegrüßt!
Dein treuer Paul Goldmn
Viele Grüße an Deine
Freundin!