Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 1. 11. [1896]

Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour. Paris, 1. November.
Bureau à Paris

Mein lieber Freund,

Es issehr lieb von Dir, daß Du inmitten all’ Deiner Obliegenheiten in Berlin noch Zeit gefunden, mir zu schreiben. Ich danke Dir und sende Dir diese Zeilen nur, damit Du am Morgen des entscheidenden Tages einen Gruß von mir bekommst. Das heißt: entscheiden wird der Tag gar nichts. Alles Wesentliche ist entschieden. Wir wissen Alle, wer Du bist; und Dein neues Stück, wenn es Erfolg hat, kann uns |nichts Neues lehren, – wenn sein Erfolg bestritten wird, kann es an der bereits bestehenden Thatsache nichts ändern, daß Arthur Schnitzler in der gegenwärtigen deutschen dramatischen Bewegung eine der wenigen bemerkenswerthen Erscheinungen ist. Ich sehe also dem 3. November lange nicht mit derselben Spannung entgegen, wie dem Tage der Première der »Liebelei«. Ein neuer Erfolg wäre sehr schön, aber nöthig ist er gerade nicht. Die »Liebelei« mußte Erfolg haben; denn |darin lag Deine ganze Art, und es war die große, ein für alle Mal entscheidende Frage: ob das Publicum »Ja« oder »Nein« dazu sagen würde. Was das Berliner Publicum zu »Freiwild« sagt, ist wichtig mit Rücksicht auf die materiellen Consequenzen – für das Wesentliche aber ist es ganz gleichgiltig. Daß ich Dir trotzdem für ein Telegramm am Mittwoch Vormittag von Herzen dankbar sein werde, versteht sich von selbst.
|Schade, daß Du das »befreiende« Wort nicht findest. Eigentlich ist es schon enthalten in dem Ausspruch: »Solche Leute haben im Frieden gar keine Existenz-Berechtigung«. Laß’ den Schauspieler das nur recht kräftig und deutungsvoll sagen!
Ich hab’ einen Augenblick mit der Idee geliebäugelt, hier auf drei Tage durchzugehen und zur Première zu kommen. Aber, wie gewöhnlich, fehlte das Geld; auch bin ich doch nicht mehr jung genug für solche Husarenstücklein. Ich muß also wieder aus der Ferne zuschauen. Statt meiner kommen meine Wünsche; sie sollen Dir alles Liebe, Gute, Frohe für Dienstag Abend bringen. Ich umarme Dich von Herzen.
Dein treuer
Paul Goldm
Du schreibst mir wohl noch ein Wort aus Berlin?
    Bildrechte © Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar