und
Telegramm-Adresse:
Mein lieber Freund,
Ich bekam Deinen lieben Brief hierher nachgesandt, kann Dir also den Brief, von dem
Du sprichst, erst nächste Woche nach meiner Rückkehr zurückfenden.
Du sollst nur einen kurzen Gruß von unterwegs erhalten. Ich bin hier, müde und
ruhebedürftig. Mein Au Auge ist krank, und d auch die Ruhe will nicht mehr viel nutzen. Hiesigen
Eindrücke wenig erfreulich. Meine Familie, die |friedliche, in z× Parteien gespalten, – aufgelöst durch das neu hinzugekommene dissolvant.
Schlimme Dinge, schlimmme Dinge!
Von Dir
spricht alle Welt mit wärm
ster Sympathie, und während Deines Aufenhalts in
Frankfurt ha
st Du bei uns alle Herzen
gewonnen. Freundlich grüßt mich Dein Name aus den Schaufen
stern der
Buchhandlungen.
Was Du mir über Deine Stimmungen schreibst, ist gar seltsam. Daß auch Du diese Idee
hast, Dein Leben zu verlieren, |Du, dessen Leben reich ist, wie kein zweites, das
ich kenne. So scheint es, daß × wir auf allen Stufen, bei allen Geschicken, im Glück und Unglück das Gefühl
haben, das Leben zu verlieren; und vielleicht verlieren wirs auch a↓A↓lle wirklich.
Gern möchte ich Dich im Sommer wieder
sehen, vorausge
setzt, daß ich bis dahin noch in
keinem Spital liege:
Holland,
Dänemark, wo Du will
st. Freilich wir
st Du bei un
serem
Wieder
sehen
|merken, daß
sich Manches verändert
hat.
Und warum komm
st Du nicht nach
Paris?
Dem
Hugo thue ich
nicht Unrecht. Ich
soll den
Artikel le
sen, als handle er nicht
von
St. Georges. Ja, er handelt aber davon. Ich kann Form und Inhalt nicht
scheiden, be
sonders
nicht bei einer Kritik. Und wenn die Form gut i
st, das Urtheil aber fal
sch,
so i
sts
eine
schlechte Kritik. Auch i
st die Form nicht gut, – verfluchte Manier!
|Hoffentlich nimm
st Du das
Burgtheater-Referat in der »
Zeit« an. Du bi
st der
geborene Kritiker – wahrhaftig und unbe
stechlich, ich meine
seeli
sch unbe
stechlich,
nicht einmal ein
emballé, wie
ich. Und dann Du mit Deinem
klug klugen Urtheil und
feinen Kun
st
sinn! Nimms
a an!
Da Daß Du nicht journali
sti
sch thätig
sein kann
st,
|i
st eine Deiner Wahnideen, die am Be
sten durch die
Praxis widerlegt werden. Auch
schafft Dir eine regelmäßige kriti
sche Thätigkeit
gewi
sse Lebensgrenzen, – Barri
èren, welche Deine Gedanken verhindern, im Unendlichen Unfug zu
treiben. Wenn Du genöthigt bi
st,
Rudolf Lothar und
Davis kriti
sch zu behandeln, wir
st Du weniger an den Tod denken.
Wie wenn Du mir ein Wort hierher
schriebe
st? (
Niddastrasse 37.) Das wäre
schön
.
|I
st Dein
Stück fertig? Kann man das
Manuskript sehen?
Bitte,
schick’ mir nach
Paris die im Buchhandel er
schienenen
Anatol-Sachen.
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund!
Dein
Paul Goldmann.
|Gefunden in einem alten deut
schen
Mystiker:
Und was
sag
st Du zu Frau
Lou Andreas’ Buch »
Ruth«? Hör
st Du etwas von ihr?