Fondateur M. L.
Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour. Paris, 6. Juli.
Mein lieber Freund,
Ich habe Dir nichts Neues zu sagen, aber ich schreib’ Dir, um Dir zu sagen, daß ich
mich von Herzen freue, Dich unterwegs zu wissen, und daß ich
Dich mit meinen besten Wünschen begleite.
Prag muß
schön
sein. Viel alte Steine und blonde
junge Mädchen dazwi
schen
|und ein rau
schender
Fluß und der dreißigjährige
Krieg. So
stell’ ich mirs vor. Was Du von dem alten
Friedhof schreib
st, hat
mir beinahe Heimweh danach gemacht. So i
st der Tod anheimelnd, – wenn man nämlich
oben
steht zwi
schen den ver
sinkenden Steinen und dem grünen Gras, in Sommerluft und
Frieden. Nur i
st das nicht der eigentliche Friedhof. Der eigentliche
|Friedhof – das wäre, wenn man ihn von unten an
sieht.
Da muß er
schauderhaft
sein, aber das
in i
st auch des Todes wahres Ge
sicht. Hierher gehört ein Capitel über die
Oberflächlichkeit der men
schlichen Todes-An
schauung, welche die Friedhöfe von oben
betrachtet
statt von unten
.↓,↓ welche
sich unter die
ger rau
schenden Bäume der Friedhöfe
stellt und
sagt:
|»Welch’
sanfte Ruhe!« Nein, es i
st nicht die Ruhe,
es i
st das Vermodern.
Dabei verge
sse ich, daß ich zum Autor von »
Sterben«
spreche.
Ach Oh, ich möchte gern hinunter hinunter, unter die Erde. Ich kans↓ns↓ wirklich nicht mehr. Seit einigen Tagen sehe ich wieder mit erbarmungsloser
Klarheit, was ich Alles verfehlt, was |ich nie
erreichen werde. Ich sehe mich mit energielosem Schritte durch die Straßen gehen, und
aus den Spiegeln der Läden blickt mir mein Gesicht entgegen und ruft: »Un rate!.« Haha, mit 30 Jahren!
Sterben, oh ja! Aber glücklich leben wäre doch noch viel schöner, und |ich glaube immer noch daran, obwohl ich es mit
unbeweisbarer Logik darthun kann, daß ich zu schwach bin, mir irgend eines der großen
Lebensgüter zu erkämpfen.
Das ist so ehrlich, was ich Dir da schreibe, so ohne Pose, weiß Gott!
Becque hat mir ver
sprochen, er will »
Mourir« le
sen. Wird ers thun? . . . Ich
|schicks ihm Montag.
Dann könnte man mit ihm die Verleger-Frage berathen.
Wer die betreffende
Frau i
st, möchte ich Dir gern
sagen
.↓,↓ könnt’ ich nur ihren Namen le
sen. Bitte
schreib’ mir ihn noch einmal recht
deutlich auf. Von was i
st
sie
Sekretär? In welcher Stadt lebt
sie? Daß Du Dich zu nichts verpflichtet
ha
st, i
st gut. Unter keinen Um
ständen
|darf
st Du
Deine übrigen Werke vergeben. Sieh’ Dir auch an, ob die Über
setzungen ’was taugen
oder
schick’
sie mir. Die Frauenzimmer thun in der Regel das Übersetzen ab, wie das
Strümpfeflicken.
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund. Mit wem immer Du bist, grüß’ ihn von mir. Ich
wünsche Dir von Herzen Glück und Sonnenschein auf den Weg.
Dein treuer
Paul Goldmann