Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 11. 8. 1890

Chef-Redacteur: Dr. F. Mamroth. – Redaction: IX., Berggasse 31.
Pörtschach , den 11. August 1890.

Lieber Arthur!

Du hast Recht gehabt: ich bin von dieser Frau mit einer Empfindung warmer und aufrichtiger Sympathie weggegangen. Viele Fehler wohl, die typischen Fehler der schönen Frau: eitel, poseure, coquett; aber wenn man auf den Grund kommt, findet man einen Schatz von Ehrlichkeit und Natürlichkeit. Ich bin der Frau mit allen möglichen Vorurtheilen |entgegengekommen; aber als wir am letzten Tag allein im Walde saßen und die gewissen tieferen Sachen besprachen, da kam ein so heißer Glückshunger, ein so rechtes Streben nach dem Besseren zutage, daß ich dabei etwas empfand, das ich nicht anders, als Rührung nennen kann. Ich bin der Frau Olga ein wahrer Freund geworden; und in dieser Eigenschaft muß ich Dir Eines sagen: Du darfst diese Frau unter keinen Umständen betrügen. Sie ist auf Alles vorbereitet: daß das Liebesglück, das sie sucht, kurz dauern, daß es mit Qualen verbunden sein und mit Enttäuschungen enden kann. Aber in einer Beziehung glaubt sie an Dich – meine Vermuthung; |Confidencen hat’s nicht gegeben – daß Du sie nur dann zur Deinigen machen wirst, wenn du sie liebst. Ich habe mit Erstaunen gesehn, daß diese Frau wirklich und ehrlich kämpft und daß es sie einen großen Entschluß kostet, über so und soviel Pflichten hinweg dahin zu gehen, wo sie ihr Glück vermuthet. Aber eben darum hat sie doppelt das Recht, nicht getäuscht zu werden. Wenn sie wieder zu Dir kommt – und sie wird wieder kommen, ich glaube das ist das Facit unserer Gespräche, ich habe mich bemüht ihr Muth zum Glück zu machen – ssage ihr, wie es mit Dir steht. Will sie dann immer noch, so brauchst Du keine Scrupeln |mehr zu haben. Aber diese Frau aus bloßer Sinnenlust zu genießen, mit einer Lüge auf der Zunge, wäre ein Verrath an Allem, was gut und edel ist auf der Welt . . . .
Dies, ut animam meam salvarem. Im Übrigen haben wir, wie gesagt, viel von Dir gesprochen, direct und indirect, und ich habe es als meine Aufgabe betrachtet, die Frau in der Liebe zu Dir zu bestärken, um so mehr, als ich diese Liebe auch – trotz Allem und Allen – als ein großes Glück für Dich erkannt habe. Ich habe natürlich die größte Vorsicht angewendet, und ich glaube nicht, daß Frau Olga eine Ahnung hat, daß ich Mit|wisser bin. In diesem Punkte kannst Du also vollauf beruhigt sein. Im Übrigen hat sie mir außerordentlich viel auch von den Pick’s erzählt, offenbar, damit ich es wiedererzähle, was ich auch hiermit thue. Ich selbst bin größtentheils von einer neuen mentalen Blödheit gewesen. Und ich werde sie stark enttäuscht haben. Wenn Du mir einen großen Freundesdienst thun willst – ich bitte Dich recht sehr darum – sschreib’ |mir, was sie Dir über mich geschrieben hat. Verliebt habe ich mich nichtsinnlich läßt mich die Frau kalt.
Thatsächliches von meinem Aufenthalte ist, daß ich bei meiner Ankunft ein Zimmer reservirt fand (das vom vorigem Jahr); daß er um mich herum gegangen ist, als wollte er mich fressen, zuletzt aber recht zuthunlich und gesprächig geworden; daß ich Herzl und Frau dort gesprochen und meine Antipathie gegen Beide recht grämlich verstärkt habe; daß ich bei meiner Abreise, als ich die Zimmerrechnung verlangte, den Bescheid erhielt: der gnädigen Frau war es ein Vergnügen – was mir unendlich peinlich war; daß sie mir, in Gegenwart von |Fremden beim Abschied sagte: »Wenn Sie nach Wien Briefe senden, ssagen Sie viele Grüße von mir«; daß Rettinger im Herbst nach Wien kommt.
Alle Details mündlich.
Bitte, schreib’ mir genau, wie es Dir geht! Adresse: Pörtschach, Poste restante.
Viele Grüße!
Dein
Paul Goldmann
Strombad?? Bist Du viel mit Hirschfeld zusammen? Grüße an Kapper!
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